Das Land der Pelze
Celsius unter Null. Das waren untrügliche Erscheinungen. Und wirklich konnten die Bewohner von Fort-Esperance am 29. November aus der draußen herrschenden Ruhe das Ende des Unwetters bemerken.
Schnell suchte nun Jedermann hinaus zu gelangen. Die Gefangenschaft hatte lange genug gedauert. Die Thüre war nicht gangbar. Man mußte durch das Fenster klettern und es von den angehäuften Schneewehen reinigen. Jetzt galt es aber keine weiche Schneelage zu durchbrechen; im Gegentheil hatte die strenge Kälte die ganze Masse erhärtet, so daß sie nur durch Spitzhacken beseitigt werden konnte.
Das war das Werk einer halben Stunde, und bald befanden sich alle Wintergenossen, mit Ausnahme der Mrs. Mac Nap, welche noch nicht aufstand, in dem inneren Hofraume.
Die zwar strenge Kälte erschien, da der Wind sich gelegt hatte, ganz erträglich. Dennoch mußte man beim Verlassen einer geheizten Wohnung einigermaßen vorsichtig sein, um sich einem Temperaturunterschiede von vollen dreißig Graden ohne Nachtheil aussetzen zu können.
Es war acht Uhr Morgens. Vom Zenith, in dem der Polarstern leuchtete, bis zum Horizonte hinab glänzten die Sternbilder in prachtvoller Klarheit. Man hätte wohl geglaubt, Millionen zählen zu können, obgleich für das unbewaffnete Auge an der ganzen Himmelskugel nur etwa 5000 deutlich unterscheidbar sind. Thomas Black gab seiner Bewunderung unverhohlen Ausdruck. Er jauchzte nach dem sternenbesäeten Firmament empor, welches kein Dunst, kein Wölkchen verhüllte. Nie breitete sich wohl ein schönerer Himmel vor dem Auge eines Astronomen aus!
Während Thomas Black in Verzückung schwelgte und gegen die Zustände auf der Erde ganz ohne Theilnahme war, begaben sich die Anderen bis nach der befestigten Umwallung hin. Zwar hatte die Schneelage die Festigkeit des Felsens, sie war aber so glatt, daß so Mancher deshalb hinfiel.
Der Hof des Forts war selbstverständlich ganz ausgefüllt. Nur das Dach des Hauses trat etwas über die weiße, vom Winde ganz horizontal abgewehte Masse hinaus. Von der Palissade ragte nur noch das Ende der Pfähle hervor und in diesem Zustande würde sie auch dem ungelenkigsten Thiere kein Hinderniß gewesen sein. Was war aber dagegen zu thun? An das Wegschaffen einer zehn Fuß dicken und harten Schneelage von einer so großen Fläche war nicht zu denken. Höchstens konnte man versuchen, die äußere Fläche frei zu legen, indem man einen Graben um dieselbe zog, dessen Gegenböschung noch zum weiteren Schutze der Palissade diente. Jetzt war der Winter aber erst im Beginnen und man mußte fürchten, daß ein wiederholter Sturm den Graben in wenigen Stunden zuschütten würde.
Als der Lieutenant die Werke besichtigte, welche dem Hauptgebäude jetzt keine weitere Deckung boten, bis einst der Sonnenstrahl diese Schneekruste schmolz, rief Mrs. Joliffe:
»Und unsere Hunde! Unsere Rennthiere!«
In der That war es nöthig, sich nun einmal um diese Thiere zu bekümmern. Das »Dog-House« und der Stall, beide niedriger als das Wohnhaus, mußten wohl vollständig überweht sein und vielleicht gar der nöthigen Luft entbehrt haben. Man eilte also, die Einen nach dem Hunde-, die Anderen nach dem Rennthierstalle, sah aber bald jede Befürchtung zerstreut. Die Eismauer, welche jetzt die nördliche Ecke des Hauses mit der Uferhöhe verband, hatte die beiden Baulichkeiten so weit geschützt, daß der Schnee um sie her nur vier Fuß hoch lag. Die in den Wänden angebrachten »Lichter« waren also nicht verstopft. Man traf die Thiere ganz munter an, und sobald der Stall geöffnet wurde, sprangen die Hunde freudig bellend im Hofe umher.
Nach achttägiger Einsperrung. (S. 176.)
Nun wurde die Kälte aber doch empfindlicher, und nach einstündiger Promenade sehnte sich Jeder nach dem wohlthuenden Ofen zurück, der im großen Saale prasselte. Draußen war ja überhaupt Nichts zu thun. Die Fallen, welche sechs Fuß tief unter dem Schnee lagen, konnten für jetzt nicht nachgesehen werden. Man kehrte demnach zurück. Das Fenster ward wieder geschlossen und da die Zeit des Mittagessens heran gekommen war, suchten Alle ihren Platz am Tische.
Natürlich kam das Gespräch auf die plötzliche Kälte, welche die dicke Schneeschicht so schnell fest gemacht hatte. Hierin lag der bedauerliche Umstand, daß die Sicherheit des Forts bis zu einem gewissen Punkte in Frage gestellt war.
»Aber, Herr Hobson, fragte Mrs. Paulina Barnett, dürfen wir nicht noch auf einige Tage Thauwetter rechnen, welche
Weitere Kostenlose Bücher