Das Monster von Bozen
Betrügereien großen Stils verstrickt war, und niemandem außer ihm war das aufgefallen. Und jetzt steckte er selbst mittendrin in diesem Schlamassel.
Bald würde er dem Drahtzieher unweigerlich begegnen. Davor graute ihm, denn er war sich der Gefahr bewusst, dass er zwar nicht den Betrüger durchschaut hatte, dieser aber ihn. Seine und Farmers Recherchen, sein scheinbar beiläufiges Nachfragen, konnten nicht unbemerkt geblieben sein, genau das, was er unbedingt hatte vermeiden wollen. Damit war der Täter Achatz einen entscheidenden Schritt voraus. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr.
***
Saint Tropez
Er genoss es, auf den sanften Wellen des Mittelmeeres dahinzugleiten, alleine auf seiner Achtzehn-Meter-Jacht. Es war ein Ausbruch aus der alltäglichen Welt. Nicht, dass er mit diesem Alltag unzufrieden war! Im Gegenteil, er hatte alles erreicht, was er erreichen wollte, auch wenn er sich insgeheim manchmal nach einem normalen, harmonischen Familienleben ohne Probleme und Krisen und einem stressfreien Beruf mit geregelten Arbeitszeiten sehnte.
Immerhin konnte er seiner größten Leidenschaft nachgehen, eine Erfüllung, die er sich hart hatte erarbeiten müssen. Aber es hatte sich gelohnt. Denn dieser Luxus bedeutete für ihn die totale Freiheit, ein wahnsinnig erregendes Gefühl! Niemand käme jemals auf die Idee, dass ausgerechnet er immer wieder an die Küste fuhr und dort ein derartig elegantes Schiff besaß.
Die Jacht hatte über siebenhunderttausend Euro gekostet, dazu die laufenden Kosten für Liegeplatz, Wartung, Sprit – und der gefälschte Bootsführerschein. Doch das war bei Weitem nicht alles, was er für ein großartiges Lebensgefühl brauchte. Er besaß ein feudales Anwesen in der Nähe von Saint Tropez, in dessen Garage ein BMW-M-6-Cabrio stand. All das kostete viel Geld, und wenn man auf absolute Diskretion angewiesen war, konnte man schlecht fremdfinanzieren. Man musste bar zahlen, und manchmal auch ein bisschen mehr, um die eine oder andere Formalität zu umgehen.
Er hatte frühzeitig Wege gefunden, diesen Lebensstil zu finanzieren. Es war erschreckend, wie blass, wie konturenlos viele Menschen waren, so leicht zu durchschauen, zu manipulieren, unter Druck zu setzen. Und er machte sich das zunutze. Ein Außenstehender würde das vielleicht skrupellos nennen. Er hingegen bezeichnete es als das legitime Ausspielen seiner Überlegenheit gegenüber solchen Menschen. Sie waren selbst schuld, sie hatten es nicht besser verdient. Damit hatte er von jeher Erfolg gehabt, und er würde auch zukünftig damit Erfolg haben. Sein Platz war auf der Sonnenseite des Lebens.
Das Einzige, was seine Freude zurzeit ein wenig trübte, war der merkwürdige Auftritt dieses angeblichen Beamten der Aufsichtsbehörde für internationale Finanztransaktionen. Wie hatte der Wicht so einen Schwachsinn überhaupt glauben können? Und wie waren diese Leute dahintergekommen? Vor allem – WER war dahintergekommen? Es war doch ein todsicherer Plan. Der Wicht selbst, diese Kreatur von einem Menschen, konnte es nicht gewesen sein. Es gab genügend Druckmittel, der wäre niemals so dämlich, das Maul aufzureißen. Denn er würde mehr drinhängen als jeder andere.
Wie amüsant es war, ihn wie eine Marionette in jede beliebige Richtung zu lenken. Hechelnd wie ein Hündchen fraß ihm der Kerl aus der Hand. Er hatte gar nicht begriffen, dass er längst nicht mehr Herr seines eigenen Willens war. Umso weniger war anzunehmen, dass ausgerechnet er die undichte Stelle war.
Doch es war gleichwohl offensichtlich, jemand hatte begriffen oder ahnte zumindest, dass die IFS nicht das war, wofür sie sich ausgab. Allzu viele kamen nicht in Frage, denn man brauchte durchaus Wissen, eigentlich sogar Insiderwissen, um die Konstruktion nachzuvollziehen. Im Grunde gab es nur einen, der dahinterstecken konnte: der Erbsenzähler. Immerhin war dieser Pedant noch nicht allzu weit gekommen. Wer oder was hinter der IFS steckte, war kaum herauszubekommen. Zu diesem Zweck hatten sie die Gesellschaft schließlich in Liechtenstein gegründet und nirgendwo sonst.
Jedenfalls war es noch nicht zu spät. Und damit war klar, was als Nächstes geschehen musste. Es stand zu viel auf dem Spiel.
2
Bozen, Mittwoch, 10. Juni
»Vince! Iss deine zweite Portion Tiramisu, ich habe es extra für dich gemacht.«
»Nun lass den Jungen in Ruhe, Antonia, carissima, wenn er doch nicht mehr mag!«
»Quatsch, nicht mehr mag … er hat doch kaum was von dem
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