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Das Monster von Bozen

Das Monster von Bozen

Titel: Das Monster von Bozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Rüth
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überwinden können, das wusste sie. Aber dieses abgrundtiefe Hassgefühl war vorbei. Auch ohne die permanenten Appelle von Doktor von Waltershausen hatte sie genau gespürt, dass es der Hass war, der sie seelisch zerstörte, nicht die Trauer. Mit der Trauer konnte sie umgehen, Helmut lebte in ihr weiter, und sie wusste, dass sie sich eines Tages in einer anderen Welt wiedersehen würden. Aber der Hass hatte sich durch ihre Eingeweide gefressen wie Rost durch Eisen, langsam, unaufhaltsam. Sie empfand tiefe Dankbarkeit für Bellini, auch wenn der Commissario lediglich seine Pflicht getan hatte. Ihr hatte er mit diesem einen Anruf mehr helfen können als von Waltershausen in elf Jahren. Sie schämte sich ein wenig dafür, dass sie Schimmel verdächtigt hatte, offensichtlich hatte er mit all diesen Verbrechen überhaupt nichts zu tun. Wahrscheinlich hatte von Waltershausen in diesem Punkt recht. Sie hatte sich das eingeredet, weil sie eifersüchtig war. In gewisser Weise war die Verarbeitung des Geschehenen für sie sogar leichter, weil Klaus Mantinger kein Gesicht für sie hatte. Sie kannte bloß seinen Namen, war ihm aber nie begegnet. Schimmel hätte sie nie restlos aus ihrem Innersten entfernen können. Mit dem gesichtslosen Mantinger konnte sie ihre Rachegefühle befriedigt loslassen.
    Seit Bellinis Anruf hatte sich in ihrem Leben viel verändert. Sobald sie aufgelegt hatte, war ihr auf einmal, als erwachte sie aus einem hässlichen Traum. All die Jahre war ihr alles um sie herum, ihre ganze Welt, merkwürdig surreal erschienen. Das hatte ein immenser Alkoholkonsum, mit dessen Hilfe sie eigentlich vergessen wollte, noch verstärkt. Aber plötzlich hatte sie das Gefühl, neu geboren zu werden.
    Inzwischen trank sie kaum noch, ging jeden Tag spazieren, manchmal stundenlang. Sie hatte sich für einige Volkshochschulkurse angemeldet, um wieder unter Menschen zu sein. Und sie würde eine Stiftung gründen, die Helmut-Graf-Stiftung, deren Zweck darin bestand, sich um Menschen zu kümmern, die Opfer von Verbrechen geworden waren, ähnlich wie der Weiße Ring, allerdings begrenzt auf Köln und Umgebung, damit sie sich selbst besser engagieren konnte. Sie hatte genügend Geld und Ansehen, das würde ihr bei diesen Plänen helfen. Eine solche Stiftung wäre im Sinne ihres Mannes.
    Langsam ging sie den Weg zurück, vorbei an den anderen Gräbern, deren Inschriften sie inzwischen auswendig kannte. Ihr war oft aufgefallen, wie selten jemand an diesen Gräbern stand, wenn sie hier war. Auch heute war sie ganz allein. Das machte sie traurig, denn sie besuchte ihren Mann fast jeden Tag. Warum wurden die Toten so schnell vergessen?
    Als sie aus dem Wald auf den Parkplatz trat, schien ihr die Sonne von der Seite her aufs Gesicht. Es war so warm, dass sie auf der Rückfahrt die Klimaanlage würde einschalten müssen. Nichts deutete darauf hin, dass das sommerliche Wetter jemals enden könnte.

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