Das Multiversum 3 Ursprung
Ein Rinnsal der Unbeugsamen, die sich noch immer weigerten, der Dunkelheit zu weichen und hin-625
zunehmen, dass das unerbittlich alternde Universum ihnen die Schlinge um den Hals immer weiter zuzog.
Bis sie schließlich erkannten, dass etwas nicht stimmte. So weit hätte es nicht kommen dürfen.
Die letzten Menschen am Unterlauf der Zeit – zum Äußersten entschlossen und im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte – verbrannten die letzten Ressourcen des Universums und griffen nach der tiefsten Vergangenheit aus…
Emma Stoney:
Nemoto murmelte etwas, vielleicht an Emma oder Manekato gewandt oder auch zu sich selbst, während sie ungeduldig Ranken und struppige Dornbüsche aus dem Weg schob. »Die Evolution hat sich natürlich als viel komplizierter erwiesen, als wir es uns je vorgestellt hätten. Freilich ist alles kompliziert in diesem Dickicht der Realitäten. Obwohl Darwin im Grundsatz sicher richtig lag …«
»Und so weiter, und so fort.«
Emma marschierte mit dem schlafenden Nussknacker-Kind durch den Wald. Vor sich sah sie Manekatos breites Kreuz.
Emma ließ Nemoto reden.
»… Schon bevor dieser Rote Mond am Himmel erschien, hatten wir das ursprüngliche Darwinsche Modell stark überarbeitet. Es hat sich herausgestellt, dass Darwins ›Lebensbaum‹ gar kein einfacher Baum oder eine einfache Hierarchie von Vorläufer-Spezies ist.
Es ist vielmehr ein Dickicht …«
»Wie dieser verdammte Dschungel«, sagte Emma und versuchte den Monolog in einen Dialog zu überführen. »Überall hängen Lianen und Ranken herum. Wenn es nur Bäume gäbe, wäre es einfach.«
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»Ein Überkreuz-Transfer genetischer Informationen in beide Richtungen. Und nun wandert dieser Rote Mond zwischen alternativen Welten umher, die Räder kehren immer wieder zu einem anderen Afrika zurück, sammeln hier Spezies auf und setzen sie dort aus und bringen die Nachkommenschaft der Menschheit – und anderer Spezies – völlig durcheinander. Kein Wunder, dass diese Welt mit dem angefüllt ist, was Malenfant als ›lebende Fossilien‹ bezeichnet hat. Sicher hätten wir uns ohne den Roten Mond niemals entwickelt, wir Homo sapiens sapiens. Homo erectus war eine erfolgreiche Spezies, die Millionen Jahre überdauert und die Erde in Besitz genommen hatte. Wir mussten nicht so klug werden …«
Es waren bereits ein paar Tage vergangen, seit sie durch den Tunnel in den Mond vorgedrungen waren. Nemoto hatte die Zeit mit Manekato und anderen Daimonen verbracht und das Erlebnis zu interpretieren versucht. Emma für ihren Teil befand sich irgendwie in einem Trancezustand, seit diese Visionen der alternden Galaxis auf sie eingestürmt waren. Obwohl es sich wahrscheinlich nur um einen Bruchteil der Informationen gehandelt hatte, die in dieser tiefen Kammer verfügbar waren – für solche Intelligenzen, die sie zu lesen vermochten.
Aber sie erinnerte sich an das letzte Bild.
…Es war dunkel. Es gab nicht einmal mehr tote Sterne, auch keine vagabundierenden Planeten. Die Materie selbst hatte sich schon lang verflüchtigt, war im Protonenzerfall verbrannt und hatte nichts hinterlassen außer einem dünnen Neutrinodunst, der sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitete. Trotzdem gab es immer noch mehr als nichts.
Die Kreaturen dieses Zeitalters drifteten wie riesige träge Wolken und waren in riesigen diffusen Atomen codiert. Freie Energie tendierte gegen Null, und die Zeit dehnte sich gegen unendlich. Diese Wolken-Wesen brauchten für die Formulierung eines Gedankens länger, als einst ganze Spezies auf der Erde entstanden und vergangen waren …
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Diese letzte, deprimierende Vision war so hartnäckig wie die Angst vor dem Tod, die sie frühmorgens immer überkam. Sie wusste, dass sie nicht die mentale Stärke hatte, das zu verarbeiten – Spezialeffekte hin oder her. Im Gegensatz zu Nemoto vielleicht.
Oder vielleicht auch nicht. Für Nemoto schien die ganze Sache eher ein traumatisches Erlebnis gewesen zu sein als eine Informa-tionsvermittlung. Sie hatte nach diesem Erlebnis menschliche Gesellschaft gebraucht und das Bedürfnis gehabt, mit jemandem zu sprechen, auch wenn sie das in ihrer spröden Art nicht so deutlich gezeigt hatte. Und als sie dann redete, sprach sie über Charles Darwin und den Roten Mond, sogar über Malenfant und die Politik der NASA – über alles Mögliche, nur nicht über den Kern der Sache, die Alten.
Emma konzentrierte sich auf den Pflanzengeruch des Kinds, das Rascheln toten Laubs, das Prickeln des Sonnenlichts
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