Das reine Karma 2
nicht aufstehen will, muss man ihn einerseits mit der Peitsche zum Aufstehen zwingen und ihm andererseits, damit er schneller aufsteht, beistehen und helfen. Und denjenigen, der ihn unterstützt, wird er für Gott halten, während er denjenigen, der ihn schlägt, für den Teufel hält. Es ist aber ein und derselbe, der uns unterstützt und schlägt, nur wir verstehen das nicht. Der Teufel — das ist unsere falsche Vorstellung von Gott, die Begrenztheit unserer Weitsicht. Warum sitzt der Mensch und steht nicht auf? Weil er nicht sieht und versteht, was um ihn herum geschieht. Deshalb muss er geschlagen werden. Doch wenn sich seine Weitsicht erweitert, steht er von selbst auf. Aus der erzwungenen Entwicklung wird die freiwillige. Entwicklung — das ist die Verlagerung äußerer Quellen der Erkenntnis der Welt ins Innere. Das heißt, der Teufel erscheint dann, wenn die Entwicklung zwangsweise erfolgt, wenn das Verlangen, freiwillig zu wachsen, nachlässt. Wenn der Mensch sich selbst geistig zu innerem Wachstum zwingt, dann ist äußerer Zwang nicht nötig. Der Teufel muss nicht vernichtet und aus der Seele vertrieben werden, sondern er muss ständig überwunden und besiegt werden. Und besiegen kann man ihn durch Liebe. Es vergeht einige Zeit, und wir werden verstehen, dass es nichts Schlechtes gibt, es gibt nur Unvollkommenes. Es wird durch fehlendes Verständnis hervorgerufen, zu dem es kommt, wenn es an Liebe mangelt. Deshalb ist die Hauptquelle für die Umgestaltung der Welt das Gefühl der Liebe, das uns gegeben ist, sowie unser Wunsch, es zu vergrößern.“
Ich erkläre dem jungen Mann, der vor mir sitzt, dass er von Fähigkeiten und Weisheit abhängig ist. „Es ist wünschenswert, dass Sie sich manchmal selbst um den Erfolg bringen und sich töricht verhalten, sich betrügen und übervorteilen lassen.“
Er blickt mich erstaunt an.
„Aber das ist doch widernatürlich.“
„Wenn Sie Geld haben, die Seele davon abhängig geworden ist und man Ihnen rät, einen Teil des Geldes für wohltätige Zwecke, die Kirche oder Arme abzugeben, ist das normal?“
„Das ist normal“, stimmt er zu.
„Wenn Sie einen Teil dessen, was Sie haben, abgeben, nimmt man Ihnen nicht alles. Bevor Gott dem Menschen große Güter gibt, nimmt er ihm oft kleinere. Und wer sich zu dem kleinen Verlust richtig verhält, ist das größere Geschenk wert. Nur wer in Kleinigkeiten verlieren kann, kann im Großen gewinnen. Stimmen Sie mir zu?“
„Ja.“
„Wenn Sie imstande sind, auf einen Teil des Geldes zu verzichten, um Ihre Seele nicht durch übermäßige Liebe zu ihm zu verunreinigen, lernen Sie auch, auf Fähigkeiten und Weisheit zu verzichten. Doch verzichten Sie niemals auf das Gefühl der Liebe zu Gott, d.h. verlieren und verstoßen Sie es nicht.“
„Und warum steht in der Bibel geschrieben, dass wir nur einmal leben?“
„Es stimmt, dass wir wirklich nur einmal leben. Wir — das ist die Verbindung von Körper und Geistesstrukturen. Ich sterbe, und so einen wie mich gibt es nicht wieder. Es wird einen anderen Körper geben, und auch die Seele wird sich etwas ändern. Daher ist der Tod, wie jede Zerstörung von Irdischem, zwiespältig — er hat gleichzeitig absoluten und relativen Charakter.“
Ich erkläre, dass der Mensch, wenn er etwas verliert, wenn man ihn beleidigt oder demütigt, d.h. Irdisches zerstört wird, niemals nur Leiden, Aggression und Bedauern empfinden darf. Die Verabsolutierung dieses Gefühls ist pathologisch und führt zu Krankheiten und Tod. Aber auch die Verabsolutierung von Freude ist pathologisch. Das Vermögen, diese beiden widersprüchlichen Emotionen zu bewahren, ist die Voraussetzung für die Entwicklung des Geistes. Doch da der Mensch früher schwach war und entgegengesetzte Gefühle nicht gleichzeitig empfinden konnte, wechselten seine Emotionen. Die einen sagten, dass höchste Wonne und Glück der Besitz irdischer Güter und irdische Freuden sind, während die anderen meinten, dass sie im Verzicht auf irdische Freuden bestehen. Recht haben beide. Beim Sterben hat der Mensch gelitten und sich gequält, doch dann widerfuhr ihm höchste Freude und Befriedung, und er spürte kein Verlangen mehr, zu all den irdischen Werten zurückzukehren. Todesempfindungen bleiben daher Lebenden zuverlässig verschlossen. Der Mensch kämpfte stets gegen zwei Versuchungen. Einerseits wurde das Diabolische durch Verachtung des Irdischen und Lossagung von ihm überwunden. Andererseits, Begeisterung für das
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