Flammende Sehnsucht
Prolog
Niemand unterschätze die Macht, mit der Frauen Könige, Land und die gesamte Menschheit beeinflussen.
Am größten aber ist diese Macht , wo sie - subtil und im Verborgenen ausgeübt - ihr Ziel erreicht, noch ehe man etwas von ihrer Existenz zu ahnen beginnt. T. Higgins
Frühling 1821
Ich muss sagen, ich bin schwer enttäuscht.« Die Herzogin von Roxborough ließ ihren Blick über die im Salon von Effington House versammelten Damen gleiten und stieß einen überaus dramatischen Seufzer aus. »Wir werden unserer Verantwortung nicht gerecht, meine Damen, wir müssen unsere Bemühungen verdoppeln. In dem ganzen Jahr, das seit der Gründung der Damengesellschaft zur Verbesserung der Zukunft Britanniens vergangen ist, haben unsere diversen Mitglieder lediglich drei weitere Verehelichungen befördert.«
Marian, Viscountess Berkley, warf einen raschen Blick auf ihre engste Freundin, Helena, Gräfin von Pennington beziehungsweise, inzwischen, dank der Heirat ihres Sohnes, Gräfinwitwe.
»Die von Lord Pennington ...«
Helena lächelte ein überaus huldvolles Lächeln, das nicht die Spur selbstzufrieden wirkte, es sei denn, man kannte sie so gut wie Marian. Marian war sich völlig im Klaren darüber, wie ungeheuer befriedigt Helena über das Ergebnis ihrer Manipulationen war, die ihren Sohn im vergangenen Jahr endlich vor den Traualtar gebracht hatten. Gewiss, von Helenas Seite war Betrug im Spiel gewesen, und zwar in gewaltigem Maße (so man denn Maßstäbe anlegte), doch sie glaubte fest daran - und als ihre beste Freundin war Marian verpflichtet, diesen Glauben zu teilen dass sie die Geschehnisse lediglich in die richtige Richtung gelenkt hatte. Was danach geschah, behauptete Helena, konnte man ohne weiteres dem Schicksal zuschreiben.
»... die von Miss Heaton ...«
Lady Heaton, die Mutter der eben erwähnten Miss Heaton, strahlte vor Stolz.
»Dank einer überaus eindrucksvollen Mitgift und des drohenden Riesenskandals«, flüsterte Helena Marian zu.
»Der Skandal als Heiratsanreiz wird meiner Meinung nach völlig unterschätzt«, wisperte Marian. »Wir sollten uns seiner öfter bedienen.«
»... und die von Miss Putnam.«
Lady Putnam lächelte dünn. Falls irgendjemand um die Rolle des Skandals als Beförderer des Eheglücks wusste, dann Lady Putnam, deren Tochter Althea sich in ein recht unzweideutiges Missgeschick mit einem jungen Lord verstrickt hatte, das in einer raschen Fahrt nach Gretna Green und einer überstürzten Heirat endete.
»Ich weiß nicht, ob man Lady Putnam diese Ehe als Verdienst anrechnen kann oder sie dafür tadeln muss«, murmelte Marian.
Helena verkniff sich ein Lächeln, und Marian schmunzelte. Nicht dass Marian auch nur eine Sekunde gezögert hätte, ihren Sohn mittels Skandalandrohung zur Ehe mit einer geeigneten jungen Dame zu zwingen. Das Problem war eher, die geeignete junge Dame zu finden.
»Vielleicht, meine Damen, ist ja der eigentliche Grund unserer Zusammenkünfte ein wenig in Vergessenheit geraten.« Vorwurfsvoll legte die Herzogin die Stirn in Falten. »Der ausdrückliche Zweck unseres Zusammenseins ist der, unsere heiratsfähigen Kinder bei der Suche nach der passenden Partie zu unterstützen - selbstverständlich ohne ihr Wissen. Weil uns allen bewusst ist, dass die jungen Leute von heute die Ehe nicht mehr so aktiv anstreben, wie sie es eigentlich sollten. Tatsächlich« - der Blick der Herzogin ruhte auf ihrer Schwägerin, Georgina Effington, Lady William - »scheinen sie ja auf alles andere, nur nicht aufs Heiraten aus zu sein.«
Lady William erhob sich und lächelte verlegen in die Runde. »Wie einige von euch wahrscheinlich wissen, hat meine Tochter Cassandra ihr Talent fürs Renovieren und Herrichten von Häusern entdeckt.«
»Sie ist wirklich großartig«, flüsterte eine Dame hinter Marian.
»Und obwohl ich mir sicher bin, dass sie heiraten möchte, fürchte ich,dass dieses Steckenpferd ...«
»Angesichts der Preise, die sie verlangt, lässt sich das ja wohl kaum mehr als Steckenpferd bezeichnen ...«, murmelte eine andere. »Allerdings macht es sich immer gut, sagen zu können, dass man sich von Effington hat einrichten lassen.«
»... sie viel zu stark in Anspruch nimmt, um eventuelle Partien, die sich vielleicht anböten, überhaupt zu beachten. Kurz, obwohl ich eine gewisse Unabhängigkeit bei meinen Töchtern stets gefördert habe, sorge ich mich um ihre Zukunft. Ja, ich glaube sogar, dass sie vielleicht wider ihr Glück arbeitet. Daher« -
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