Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)
besiegelt, als sein Lehnsherr, der Frankenkönig Henri, an der Spitze eines Heeres ihm zu Hilfe eilte.
Es war im August des Jahres 1047, einem ungewöhnlich heißen Sommer. Ich war gerade siebzehn Jahre alt geworden. Wochenlang hatte es nicht geregnet. Die Felder waren abgeerntet, der Boden hart und ausgetrocknet. In der Nähe von Caen sollte es zur entscheidenden Schlacht kommen. Das ganze Land schien den Atem anzuhalten. Wir warteten auf erlösenden Regen und auf Kunde von den Kämpfen.
An einem schwülen Nachmittag näherte sich ein Trupp von Kriegern, sechs Reiter und über zwei Dutzend Mann zu Fuß, die ihre Schilde auf dem Rücken trugen. Ich erkannte Robert und öffnete das Tor. Abgekämpft und aus mehreren Wunden blutend, ließ er sich aus dem Sattel gleiten. Den anderen Männern schien es nicht besser zu gehen. Viele trugen notdürftige Verbände.
»Was ist geschehen?«, fragte ich.
»Das siehst du doch«, herrschte er mich an. »Sie haben uns den Arsch versohlt.«
Fressenda und die anderen kamen aus dem Haus gelaufen.
»Robert«, rief sie und schlug entsetzt die Hand vor den Mund. »Du bist verwundet?«
Er legte den Arm um sie und humpelte an ihrer Seite in die Halle. »Halb so schlimm, Mutter. Mit Nadel und Zwirn bin ich bald wie neu. Kümmert euch um meine Männer. Da sind welche, die haben’s nötiger als ich.«
Roger und ich halfen, ihn aus Kettenpanzer und Lederwams zu schälen. Robert hatte recht. Die Wunden an seinem Leib waren nur oberflächlich. Die an seiner Seele tiefer. Während sie ihn nähten und verbanden, goss er zwei Karaffen Wein in sich hinein, ohne ein Wort zu sagen.
»Nun rede schon«, brummte Serlo, seit langem das Oberhaupt der Familie.
»Wir waren so nah dran, verflucht«, ließ Robert endlich hören. »Hatten keine Mühe, durch ihre Linien zu stoßen, drangen sogar bis zum König Henri vor. Dem brach der Gaul unter dem Hintern zusammen, und mein Herr hätte ihn fast getötet. Das wäre der sichere Sieg gewesen.«
»Und was ging schief?«
»Dieser Verräter ist uns in den Rücken gefallen.«
»Wer?«
»Ralf de Tesson.«
»Hatte der nicht geschworen, Williame eigenhändig umzubringen?«
»Der Hundsfott hat es sich anders überlegt. Griff unsere Flanke mit hundertfünfzig Reitern an. Im Durcheinander wurde ich von Hamon getrennt, worauf des Königs Männer über ihn herfielen. Ich musste zusehen, wie sie ihn erschlugen. Der Feind gewann die Überhand, unsere Reihen brachen auseinander. Dann kopflose Flucht. An der Orne holten sie uns ein. Ihr könnt euch das Gemetzel nicht vorstellen. Das Mühlwehr ist von Leichen so verstopft, dass sich das Wasser staut.«
»Wie seid ihr entkommen?«
»Wir konnten uns im Wald verstecken.«
Nach seinem Bericht herrschte lange Stille, während Serlo sich den Bart strich und nachdachte.
»Du kannst hier nicht bleiben«, sagte er. »Williames Rache wird euch alle verfolgen. Bis zum letzten Mann. Die Burgen der Rädelsführer werden sie schleifen und ihren Besitz unter sich verteilen. Du warst Hamons rechte Hand und bist bekannt, vergiss das nicht. Sie werden kommen, Robert, und wenn sie dich finden, werden sie dich foltern und vierteilen.«
Fressenda stöhnte auf, als würde sie selbst gefoltert. Sie trat rasch an Roberts Seite und schlang die Arme um sein Haupt. »Er muss sich verstecken«, rief sie.
Serlo schüttelte den Kopf. »Soll er ein Leben lang vor Williames Häschern weglaufen?«
»Was schlägst du vor?«, fragte Robert, der sich sanft aus der Umarmung seiner Mutter befreite.
»Geh nach Italia. Bei unseren Brüdern bist du sicher.«
Zum ersten Mal, seit er heimgekehrt war, gönnte Robert sich ein dünnes Lächeln.
»In den Mezzogiorno, meinst du?«
»Du hast keine Wahl. Am besten gleich morgen bei Tagesanbruch.«
Robert nickte. Er brütete eine Weile vor sich hin.
»Meine Männer werden sicher mitkommen«, sagte er mit einem Seufzer. »Die sind jetzt genauso gesetzlos wie ich.«
»Ich gebe euch Wegzehrung mit. Und an Ausrüstung, was wir entbehren können.«
»Danke, Bruder.«
Mezzogiorno. Da war es wieder, das Zauberwort. Ich weiß nicht genau, was ich mir darunter vorstellte, aber es packte mich plötzlich eine unbeschreibliche Sehnsucht nach diesem Land.
»Ich komme mit!«, rief ich wild entschlossen. »Du kannst auf mich zählen, Robert.«
»Du?«, lachte er. »Was soll ich mit einem Schweinehirten?«
An seinem Lächeln sah ich, dass er mich nur necken wollte.
»Zusammen mit Roger habe ich reiten und
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