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Das Tor Zur Hölle

Das Tor Zur Hölle

Titel: Das Tor Zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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eröffnete, daß es sich bei dem Mieter um seinen Bruder handelte, doch Julia, deren Charme keine Grenzen kannte, brachte bald wieder alles ins rechte Lot.
    Rory hatte Frank während der Jahre seiner Ehe mit Julia nur selten erwähnt, obwohl er und sein Bruder vom Alter her nur achtzehn Monate auseinander lagen und als Kinder unzertrennlich gewesen waren. Das hatte Julia in einem Augenblick betrunkener Erinnerungsseligkeit erfahren — ein oder zwei Monate vor der Hochzeit —, als Rory lange über Frank gesprochen hatte. Es war eine Unterhaltung mit wehmütigem Unterton gewesen. Die Brüder waren nach der gemeinsam verbrachten Jugendzeit völlig getrennte Wege gegangen, und Rory bereute das, bereute noch mehr den Schmerz, den Franks ungezügelter Lebenswandel ihren Eltern bereitet hatte. Es schien, daß Frank, wann immer er auftauchte — was alle Jubeljahre einmal vorkam — und welche Ecke der Welt er zuvor auch gerade in Schutt und Asche gelegt haben mochte, nur Kummer mit sich brachte. Seine Geschichten von Abenteuern in den seichten Gewässern des Verbrechens, sein Gerede von Huren und kleinen Diebereien — das alles entsetzte die Familie. Doch es hatte noch Schlimmeres gegeben. In seinen wilderen Momenten hatte Frank von einem im Delirium gelebten Leben gesprochen; von einem Hunger nach Erfahrung, der sich keinem moralischen Imperativ unterwarf.
    War es Rorys Tonfall, eine Mischung aus Ekel und Neid, die Julias Neugier so angespornt hatte? Was immer auch der Grund dafür gewesen sein mochte, sie war schnell von einer ununterdrückbaren Neugier auf diesen Wahnsinnigen gepackt worden.
    Dann, kaum vierzehn Tage vor der Hochzeit, war das schwarze Schaf plötzlich leibhaftig zurückgekehrt. Offensichtlich war es ihm in der letzten Zeit sehr gut gegangen.
    Er trug Goldringe an seinen Fingern, und seine Haut war straff und gebräunt. Von außen deutete wenig auf das Monstrum hin, das Rory beschrieben hatte — Bruder
    Frank war glatt wie ein polierter Stein. Sie war seinem Charme binnen weniger Sekunden erlegen.
    Es folgte eine seltsame Zeit. Als die Tage auf das Datum der Hochzeit zuiuochen, mußte sie feststellen, daß sie immer weniger an ihren zukünftigen Ehemann und immer mehr an seinen Bruder dachte. Sie waren nicht vollkommen verschieden; ein gewisser Tonfall in ihrer Stimme und ihre einnehmende Art wies sie deutlich als Geschwister aus. Doch Frank fügte Rorys Qualitäten noch etwas hinzu, was sein Bruder niemals besitzen würde: Eine prachtvolle Wildheit.
    Vielleicht war das, was folgte, unvermeidbar gewesen; und egal, wie stark sie gegen ihre Instinkte angekämpft hätte, es wäre ihr nicht möglich gewesen, die Erfüllung ihrer gegenseitigen Gefühle hinauszuzögern. Zumindest versuchte sie später, es damit zu entschuldigen. Doch wenn sie einmal alle Selbstvorwürfe beiseite schob, hütete sie die Erinnerung an ihr erstes — und letztes — Beisammensein noch immer wie einen Schatz.
    Kirsty war wegen ügendwelcher Vorbereitungen für die Hochzeit im Haus gewesen, als Frank gekommen war, nicht wahr? Und durch jene Hellsichtigkeit, die mit Verlangen einhergeht (und mit ihm erstirbt), hatte Julia gewußt, daß heute der Tag sein würde. Sie hatte Kirsty ihrem Listenerstellen oder etwas Ähnlichem überlassen und Frank unier dem Vorwand, ihm das Hochzeitskleid zeigen zu wollen, mit nach oben genommen. Sie hatte den Schleier angelegt, lachend, als sie sich selbst ganz in Weiß vorstellte, und dann hatte er plötzlich neben ihr gestanden und hatte den Schleier hochgehoben. Doch sie hatte weiter gelacht, gelacht und gelacht, als wollte sie seine Wildheit auf die Probe stellen. Ihre Heiterkeit hatte ihn jedoch nicht abgekühlt, ebensowenig hatte er Zeit mit den Annehmlichkeiten einer Verführung verschwendet.
    Das glatte Äußere fiel beinahe augenblicklich von ihm ab, um etwas weit Roherem Platz zu machen. Ihre Vereinigung hatte, einmal abgesehen von ihrer eigenen Bereitschaft, in jeder Beziehung all die Brutalität und Freudlosigkeit einer Vergewaltigung an sich gehabt.
    Die Erinnerung verklärte die Geschehnisse natürlich, und in den vier Jahren (und fünf Monaten) seit jenem Nachmittag hatte sie die Szene in ihrem Kopf wieder und wieder durchgespielt. Wenn sie sich jetzt daran erinnerte, waren die blauen Recken, die ihr danach blieben, Trophäen ihrer Leidenschaft gewesen; ihre Tränen der unumstößliche Beweis ihrer Gefühle für ihn.
    Am darauffolgenden Tag war er verschwunden. War bei Nacht und

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