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Das Tor Zur Hölle

Das Tor Zur Hölle

Titel: Das Tor Zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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besonders erfolgversprechend, also entschied sie sich, nicht zu entscheiden. Lieber würde sie näher an das Haus herangehen und abwarten, welche Inspiration ihr der Augenblick brachte.
    Die Antwort war: keine. Als sie sich langsam den Weg entlangschlich, drängten ihre Füße darauf, umzudrehen und sie davonzutragen. Tatsächlich hätte sie das auch beinahe getan — als sie von drinnen einen Schrei hörte.
    Der Name des Mannes war Sykes; Stanley Sykes. Und das war längst nicht alles, was er Julia auf dem Weg von der Bar hierher erzählt hatte. Sie kannte den Namen seiner Frau (Maudie) und seinen Beruf (Fußpfleger); sie hatte Fotos der Kinder (Rebecca und Ethan) vorgelegt bekommen, damit sie darüber in gebührende Verzückung ausbrach. Der Mann schien es darauf angelegt zu haben, sie davon abzuhalten, mit der Verführung fortzufahren.
    Sie lächelte bloß und erklärte ihm, daß er ein Glückskind wäre.
    Doch als sie erst einmal im Haus waren, hatten sich die Dinge zum Schlechten gewendet. Auf halbem Weg die Treppe hinauf hatte Freund Sykes plötzlich verkündet, daß das, was sie taten, falsch wäre — daß Gott sie sehen und in ihre Herzen blicken und die Sünde darin erkennen könne. Sie hatte ihr Bestes getan, ihn zu beruhigen, doch er ließ sich nicht wieder der Hand des Herrn entreißen.
    Statt dessen war er wütend geworden und hatte sie geschlagen. In seinem gerechten Zorn hätte er noch weit Schlimmeres tun können, hätte ihn da nicht unvermittelt eine Stimme vom oberen Treppenabsatz her gerufen. Augenblicklich hatte er aufgehört, auf sie einzuschlagen und war so blaß geworden als meine er, daß Gott selbst dort rufen würde. Dann war Frank auf der Treppe erschienen, in seiner ganzen Pracht. Sykes hatte einen Schrei ausgestoßen und versucht, davonzulaufen. Doch Julia war blitzschnell. Sie hielt ihn mit der Hand zurück, bis Frank die paar Stufen heruntergekommen war und ihn mit einem unentrinnbaren Griff packte.
    Bis sie das Knirschen und Knacken der Knochen hörte, als Frank seine Beute umfaßte, war ihr nicht bewußt gewesen, wie stark er mittlerweile geworden war: Offenkundig stärker als ein gewöhnlicher Mensch. Als Frank ihn packte, hatte Sykes abermals aufgeschrien. Um ihn zum Schweigen zu bringen, brach ihm Frank mit einem Ruck den Kiefer.
    Der zweite Schrei, den Kirsty gehört hatte, war ganz abrupt abgebrochen. Doch sie hatte genügend Panik aus dem Laut herausgehört, daß sie augenblicklich zur Tür gelaufen war und schon die Hand zum Klopfen oder Klingeln erhoben hatte.
    Erst da besann sie sich eines Besseren und lief statt dessen an der Hausseite entlang. Mit jedem Schritt zweifelte sie an der Klugheit ihrer Entscheidung, doch gleichzeitig war sie sich ebenso sicher, daß ein Frontalangriff nichts bringen würde. Am Tor, das zum hinteren Garten führte, fehlte der Riegel, und sie schlüpfte hindurch. Mit gespitzten Ohren lauschte sie auf jedes Geräusch, besonders das ihrer eigenen Füße. Aus dem Haus kam nichts. Nicht einmal ein Stöhnen.
    Sie ließ die Tür offenstehen, für den Fall, daß sie einen schnellen Rückzug antreten mußte, und eilte zur Hintertür hinüber. Unverschlossen. Diesmal verlangsamte ihr Verstand ihre Schritte. Vielleicht sollte sie besser Rory anrufen, ihn bitten, herzukommen? Doch bis dahin wäre alles, was dort drinnen vor sich ging, vorbei, und sie wußte nur zu gut, daß Julia sich aus allen Anschuldigungen herauswinden würde, wenn man sie nicht auf frischer Tat ertappte. Nein, dies hier war der einzige Weg. Vorsichtig ging sie durch die Tür.
    Das Haus blieb weiter vollkommen still. Nicht einmal das leise Tappen von Schritten verriet ihr, wo sich die Akteure aufhielten, die zu überraschen sie gekommen war. Sie schlich zur Küchentür hinüber und von dort zum Eßzimmer. Ihr Magen verkrampfte sich; ihre Kehle war plötzlich so trocken, daß sie kaum schlucken konnte.
    Vom Eßzimmer ins Wohnzimmer und von dort in den Hausflur. Noch immer nichts; kein Flüstern oder Stöhnen. Julia und ihr Begleiter konnten nur oben sein, was vermuten ließ, daß sie sich geirrt hatte als sie vermeinte, Angst aus den Schreien zu hören. Vielleicht war es Ekstase gewesen, was sie gehört hatte. Ein orgasmischer Lustschrei, statt des Schreckensrufes, für den sie es gehalten hatte. Man konnte das nur zu leicht verwechseln.
    Die Haustür war zu ihrer Rechten, nur wenige Meter entfernt. Sie konnte immer noch hinausschlüpfen und davonlaufen, flüsterte die Feigheit in ihr,

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