Das Wolkenpferd
unterschiedlicher Meinung waren. Carola hörte gar nicht mehr hin, wenn ihre Reiterkollegen kopfschüttelnd rieten: „Kauf dir doch ein anderes Pferd. Diese Momo ist viel zu schwierig."
Ein anderes Pferd! Das wäre Caro im Leben nicht eingefallen. Momo, ihre Momo, die so oft hin- und hergeschoben worden war? Eher wollte Caro ihren Traum von Turnieren aufgeben! Und das tat sie schließlich auch. Ihre Freundschaft mit Momo war ihr wichtiger als alle Siege und Pokale.
Welch dicke Freunde die beiden sind, erleben die anderen Reiter jeden Morgen, wenn Caro ihr Pferd von der Weide holt.
Während die anderen Pferde lieber weitergrasen, als einen einzigen Schritt auf ihre Besitzer zuzugehen, ist Momo immer wieder total aus dem Häuschen, wenn ihr Lieblingsmensch kommt. Mit hellem Wiehern galoppiert sie zum Zaun, drückt ihre Nase an Caros Arm und schnaubt glücklich.
In solchen Momenten weiß Carola, dass sie sich nie von Momo trennen wird.
Und Momo weiß es auch.
Jules Rache
Natürlich war die Sache nicht ohne Risiko. Genau genommen war es sogar ein tollkühnes Wagnis. Etwas, dessen Auswirkung sie, die Ponystute Jule, gar nicht abschätzen konnte. Möglicherweise würde sie dabei Kopf und Kragen riskieren, fürchtete Jule.
Das fuchsrote Pony drehte den Kopf mit der dicken weißen Mähne nach hinten, um die Lage noch einmal zu peilen. Es schnaubte ärgerlich.
Selbstverständlich hatte sich nichts verändert. Wilfried, der Vater ihrer Besitzerin Britta, hockte immer noch frech auf ihrem Rücken.
Alles hatte vor zwanzig Minuten ganz normal angefangen.
Wilfried war mit ihr am Strick durch den verschneiten Wald gegangen, um ihr etwas Bewegung zu verschaffen. Das tat er, um seiner Tochter einen Gefallen zu tun, denn es war schneidend kalt, fast 20 Grad unter Null. Der Schnee knackte vor Kälte, und der Graben neben dem Reitweg war von einer dicken Eisschicht überzogen. Selbst Jule fror ein ganz kleines bisschen, was bei Ponys eigentlich fast nie vorkommt.
Trotz des Frostes hatte der Spaziergang Spaß gemacht, bis Wilfried plötzlich laut gesagt hatte: „Wofür habe ich eigentlich ein Pony? Wieso soll ich bei der Kälte zu Fuß gehen?" Ja, und dann war er tatsächlich auf ihren Rücken geklettert. Ausgerechnet Wilfried, der in seinem ganzen Leben noch nie auf einem Pferd gesessen hatte. Der große Wilfried auf der kleinen Jule.
„Was ist, Jule?", feuerte er sie jetzt an. „Ich friere mich halbtot. Bringst du mich endlich nach Hause, oder was?"
Jule schnaubte gequält. Er wollte es nicht anders.
Hinterher würde er toben und schreien und rot anlaufen vor Wut. Wilfrieds Blutdruck würde gefährlich ansteigen. Hässliche Worte würden fallen ... wie ,Pferdeschlachter' und ,Versuchstierlabor'. Sicher würde er auch nicht vor der Bemerkung zurückschrecken, dass er ihre Schweifhaare am liebsten als Rosshaarbesen sähe und ihre Mähne als Handfeger.
Jule hasste solche Streitigkeiten. Bei dem Gedanken daran kriegte sie fast eine Stehmähne vor Unbehaglichkeit. Aber man durfte diesen Menschen nicht mit seiner Unverfrorenheit durchkommen lassen. Das kleinste Entgegenkommen, und die Zweibeiner wurden frech und rissen die Führung an sich. Jule war weiß Gott keines von den leichtfertigen Ponys. Keins von der Sorte, das sich Entscheidungen leicht machte. Aber es half nichts: Die Rangordnung musste jetzt festgelegt werden. Sonst würde dieser Wilfried ihr später auf der Nase herumtanzen.
Sie musste ihm eine Lehre erteilen, damit er nie wieder auf die Idee kam, sich auf ihren Rücken zu setzen.
Also los.
Entschlossen riss Jule ihren Kopf nach unten, steckte ihn zwischen die Vorderbeine, hob das Hinterteil an und buckelte zwei-, dreimal so geschickt, dass Wilfried, der überhaupt nicht damit gerechnet hatte, in hohem Bogen durch die Luft flog.
Unsanft landete er im Schnee, und zwar genau an der Uferböschung des Grabens. Zuerst war er sprachlos, aber schnell hatte er sich von dem Schrecken erholt und wollte aufstehen. Doch das klappte nicht - Wilfried rutschte langsam, aber sicher die schräge Böschung hinunter. Er glitt und schlitterte, suchte Halt an einem gefrorenen Zweig, der sofort abbrach. Auf allen vieren landete Wilfried schließlich auf dem zugefrorenen Eis. Gerade wollte er sich fluchend aufrichten, da passierte es: Das Eis gab unter seinem Gewicht nach. Krachend brach Wilfried ein und lag jetzt - immer noch auf allen vieren -im flachen, schmutzigen Wasser des Grabens.
Von oben betrachtete Jule zufrieden
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