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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Buch des Pir,« erklärte Ali auf meinen fragenden Blick.
    Im Nu hatte ich es ergriffen und mich auf den Diwan niedergelassen. Der Bey aber ging lächelnd hinaus, um mich beim Studium des kostbaren Fundes nicht zu stören. Das Heft war in arabisch-persischer Schrift geschrieben und enthielt eine ansehnliche Sammlung von Wörtern und Redensarten in mehreren kurdischen Dialekten. Ich bemerkte bald, daß es mir nicht sehr schwer fallen werde, mich im Kurdischen verständlich zu machen, sobald es mir nur erst gelungen sei, mir über die phonetische Bedeutung der Buchstaben klar zu werden. Hier war die Praxis von Bedeutung, und ich beschloß, den hiesigen Aufenthalt in dieser Beziehung so viel wie möglich auszunutzen.
    Mittlerweile brach die Dämmerung herein, und unten am Bache, wo die Mädchen Wasser schöpften, während einige Bursche ihnen dabei halfen, erklang folgender Gesang:
    »Ghawra min ave the Bina michak, dartschin ber pischte Dave min chala surat ta kate Natschalnik ak bjerdza ma, bischanda ma Rusete.«
    Frei übersetzt:
    »Ein christliches Mädchen kommt Wasser zu holen. Ich steh’ ihr im Rücken und atme verstohlen. Das Mal ihrer Wange, mein Mund wird es küssen, Und sollt’ ich in Fesseln nach Rußland dann müssen.«
    Das war ein rhythmisch und melodisch hübscher Gesang, wie man ihn sonst im Oriente nicht gleich zu hören bekommt. Ich lauschte, aber leider blieb es bei dieser einen Strophe, und ich erhob mich, um hinauszugehen, wo ein reges Leben herrschte, denn es kamen immerfort Fremde, und es wurde Zelt neben Zelt errichtet. Man merkte, daß ein bedeutendes Fest nahe bevorstand. Als ich vor die Thür trat, sah ich eine ansehnliche Versammlung um den kleinen Buluk Emini stehen, welcher laut erzählte.
    »Schon bei Sayda habe ich gekämpft,« rühmte er sich, »und dann auf der Insel Candia, wo wir die Empörer besiegten. Nachher focht ich in Beirut unter dem berühmten Mustapha Nuri Pascha, dessen tapfere Seele jetzt im Paradiese lebt. Damals hatte ich auch meine Nase noch, und diese verlor ich in Serbien, wohin ich mit Schekib Effendi gehen mußte, als Kiamil Pascha den Michael Obrenowitsch fortjagte.«
    Der gute Baschi-Bozuk schien gar nicht mehr genau zu wissen, bei welcher Gelegenheit er um seine Nase gekommen war. Er fuhr fort:
    »Ich wurde nämlich hinter Bukarest überfallen. Zwar wehrte ich mich tapfer; schon lagen über zwanzig Feinde tot am Boden; da holte einer mit dem Säbel aus; der Hieb sollte mir eigentlich den Kopf spalten, da ich aber denselben zurückzog, so traf er meine Na – – –«
    In diesem Augenblick erscholl in unmittelbarer Nähe ein Schrei, wie ich ihn in meinem Leben noch gar nicht gehört hatte. Es klang, als ob auf den hohen, schrillen Pfiff einer Dampfpfeife das Kollern eines Truthahnes folge, und daran schloß sich jenes vielstimmige, ächzende Wimmern, welches man zu hören bekommt, wenn einer Orgel mitten im Spiele der Wind ausgeht. Die Anwesenden starrten erschrocken das Wesen an, welches diese rätselhaften, antediluvianischen Töne ausgestoßen hatte. Ifra aber meinte ruhig:
    »Was staunt ihr denn? Mein Esel war’s! Er kann die Dunkelheit nicht leiden; darum schreit er die ganze Nacht hindurch, bis es wieder licht geworden ist.«
    Hm! Wenn es so stand, so war dieser Esel doch eine ganz liebenswürdige Kreatur! Diese Stimme mußte ja Tote lebendig machen! Wer sollte während der Nacht an Schlaf und Ruhe denken, wenn man die musikalischen Impromptüs dieser vierbeinigen Jenny Lind anhören mußte, welche in der Lunge eine Diskantposaune, in der Gurgel einen Dudelsack und im Kehlkopfe die Schnäbel und Klappen von hundert Klarinetten zu haben schien.
    Übrigens war es jetzt bereits zum drittenmal, daß ich die Erzählung von der Nase des Buluk Emini zu hören bekam. Es schien »im Buche verzeichnet« zu sein, daß er diese Erzählung niemals zu Ende bringen dürfe.
    »So schreit das Tier also die ganze Nacht?« fragte einer.
    »Die ganze Nacht,« bestätigte er mit der Ergebenheit eines Märtyrers. »Alle zwei Minuten einmal.«
    »Gewöhne es ihm ab!«
    »Womit?«
    »Ich weiß es nicht!«
    »So behalte auch deinen Rat für dich! Ich habe alles vergebens versucht: – Schläge, Hunger und Durst.«
    »Stelle es ihm einmal in ernsten Worten vor, damit er sein Unrecht erkennt!«
    »Ich habe ihm ernste und auch liebevolle Reden gehalten. Er sieht mich an, hört mir ruhig zu, schüttelt den Kopf und – schreit weiter.«
    »Das ist doch sonderbar. Er versteht

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