Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
wenn du dich im Spiegel siehst, Renate, so siehst du das Bild einer Erbtochter.«
»Ich wußt’ es«, triumphierte die Schorlemmer. »Ich hab’ es dir prophezeit, den Abend in Bohlsdorf, als Doktor Leist seinen ersten Besuch machte.«
Renate wurde rot, denn sie gedachte auch manches anderen noch, das die Schorlemmer damals gesagt hatte; Berndt aber, ohne des Zwischenfalls zu achten, fuhr fort: »Ein Testament ist nicht da. Von einem gesetzlichen Anspruch der Pudaglas an Guse kann keine Rede sein. Es ist Allod. So fällt es an mich, als an den nächsten Erben. Ich habe mit Ladalinski, den ich vorläufig das Interesse der Pudaglas zu vertreten bat, die Dinge durchgesprochen; er weiß, in welchem Sinn ich mich glücklich schätzen würde, Wünschen oder Ansprüchen des ihm so nahe verwandten Hauses, vor allem aber seinen eigenen Wünschen entgegenzukommen. Es berührt das alte Pläne der Tante. Ihr kennt sie. Von dem Augenblicke an, meine teure Renate, wo du gewählt haben wirst, gehört Guse dir, ich bin nur Nutznießer und Verwalter. Im übrigen sollen dich diese Worte zu nichts bestimmen, deine Wahl ist frei.«
Die Geschwister schwiegen, und selbst die Schorlemmer fand keinen Spruch, der ausgedrückt hätte, was in ihr vorging. Berndt schien es zufrieden, und während er nach seiner Gewohnheit dem neben ihm liegenden Hektor von den mit Fleisch belegten Brotschnitten zuwarf, die für ihn selbst bestimmt waren, fuhr er fort: »Und so wären wir denn reich, reich in diesen allerärmsten Tagen. Und so gewiß Gott weiß, daß es mich nie nach irdischem Besitz gedrängt hat, so gewiß ist es auch, daß mich dieser Besitz jetzt freut. Ich fühle mich freier. Denn daß ich es euch gestehe, die Not und Drangsale dieser Zeit lagen schwer auf mir, schwerer, als ich es vor euch wahrhaben mochte. Die niedergebrannte Scheune…«
»… Die bauen wir nun wieder auf, Papa.«
»Und den Saalanbau…«
»… Den nicht«, lachte Renate. »Dazu versag’ ich, als Erbtochter, die nötigen Mittel. Nein, da machen wir klares Spiel und ziehen den Garten bis vor das Haus, ganz wie drüben in Hohen-Ziesar, und der Graf selber muß uns dabei behilflich sein. Das ist ja seine Passion. Ich bin für Reseda und Levkojen, aber nur als Rabatteneinfassung, und aus der Mitte der Beete wachsen Malven auf. Zimmetfarbene und wie von Atlas, die lieb’ ich am meisten. Und die beiden Derfflingerkanonen schaffen wir von Guse herüber, nur den Faun lassen wir da, und auf den Damm stellen wir eine Sonnenuhr oder noch lieber eine große schwarze Glaskugel, drin sich die Dorfstraße spiegelt und Hoppenmarieken, wenn sie vorübergeht.«
»Das läßt sich hören, Renate, und ich sehe, daß du dich schnell in die besseren Tage hineinlebst. Nur deinem eigenen Schloß, als das ich Guse vorläufig ansehe, darfst du, dem alten Hohen-Vietz zuliebe, nichts entführen wollen, und wenn es auch nur die zwei Derfflingerkanonen wären. Wer weiß übrigens, was davon übrigbleibt? Vorläufig sind die Franzosen drüben und nehmen mit, was ihnen gefällt. Wenigstens wenn wir ihnen nicht auf die Finger sehen. Komm, Lewin, daß wir darüber sprechen.«
Berndt erhob sich, Lewin folgte. Sie gingen in das einfenstrige Zimmer, darin Vater und Sohn zu Beginn unserer Erzählung ihr erstes Gespräch über Volksaufstand und endliche Vernichtung der Fremdherrschaft gehabt hatten. Es hatte sich nichts geändert: hier das Sofa und dort das Bild und an dem breiten Fensterladen die Karte von Rußland mit ihren verschiedenfarbigen Nadeln. Alles wie damals am ersten Weihnachtsfeiertage.
Der alte Vitzewitz nahm Platz, streckte seinen Fuß, wie er zu tun pflegte, auf den vor seinem Arbeitstische stehenden Schemel und sagte: »Setz dich, Lewin. Ehe wir von anderem sprechen, noch ein Wort über dich. Ich wollt’ es vor den Frauen nicht ausspinnen. Sie dürfen nicht zuviel davon hören; gleich schwillt ihnen der Kamm. Denn alle wollen herrschen, und es freut sie, daß sie so viel Macht über uns haben. Darin sind sie sich alle gleich und in einer ewigen stillen Verschwörung gegen uns.«
Lewin sah vor sich hin; Berndt nahm seine Hand und fuhr fort:
»Es läßt sich leicht sprechen über Schweres, das uns selber nicht mehr drückt oder vielleicht nie gedrückt hat. Ja, es ist so; was dich drückt, Lewin, ist mir erspart geblieben. Aber anderes, anderes! Ich weiß davon und weiß auch: leben heißt überwinden lernen. Den beweglichen Naturen, Naturen wie der deinigen, hat Gott es in
Weitere Kostenlose Bücher