Den Jakobsweg erfahren - Drei Freunde mit dem Fahrrad von Lingen-Biene nach Santiago de Compostella (German Edition)
bekommt, interessiert mich mächtig, denn davon gibt es eigentlich permanent zu wenig. In der Schweiz würde man, so sagt er, pro 10 Jahre Dienstzeit einen kompletten Jahresurlaub zusätzlich bekommen. Er hat genau so viele Dienstjahre wie ich und hat die 90 Tage einfach zusammen genommen. Das macht, obwohl ich diesen Wesenszug eigentlich bei mir noch nie so intensiv bemerkt habe, neidisch.
Unsere drei Tischgäste bestellen sich reichlich zu Essen und zu Trinken. Wir bleiben bei Rotwein, denn heute Abend ist unser Abschlussabend, den wir in dem Lokal in der Nähe unserer Unterkunft verbringen wollen.
Weiter berichtet der Kollege, dass er bestohlen wurde und alles Bargeld, Ausweis und Scheckkarten auf diese Art und Weise weggekommen ist. Über die Botschaft seines Heimatlandes hat er unter Mühen Ersatzdokumente bekommen und konnte sich mit einer Blitzüberweisung Geld von zu Hause schicken lassen.
Seine Pilgertour musste er aufgrund eines Krankheitsfalles in seiner Familie unterbrechen. Als er die Pilgertour wieder aufgenommen hat, ist er mit dem Auto aus der Schweiz bis nach Santiago gefahren, hat es in der Tiefgarage abgestellt und ist dann mit dem Zug zu seinen Ausgangsort zurückgekehrt, um dort die Pilgerreise wieder aufzunehmen. Er macht sich wenig Hoffnung, dass das Auto noch in der Tiefgarage steht. Ein lustiger Mensch.
Als unsere Gäste aufbrechen und bezahlen, bleibt für uns wieder die Ruhe. Die versüßen wir uns mit einem Abschlussrotwein hier. Weil die Sonne jedoch weiter gezogen ist und wir nun im relativ kühlen Schatten sitzen, wollen auch wir verlegen. Beim Anfordern der Rechnung bleibt ein Betrag von 2,60 € von unseren Gästen offen, den wir schweren Herzens übernehmen müssen. Es ist schon komisch. Bereits bei unserer ersten Begegnung hatte ich so ein Gefühl, dass so etwas passieren würde. Ob dafür allerdings die beiden Süddeutschen, der Schweizer oder die Kellnerin verantwortlich ist, bleibt uns verborgen. 2,60 €, es lohnt nicht wirklich sich darüber aufzuregen.
Auf geht es die hundertstufige Treppe herunter zu dem Lokal, wo wir gestern die Niederlage des FCB verdauen mussten. Die Terrasse liegt im gleißenden Sonnenschein. Ohne Sonnenbrille wird man hier blind. Wir gönnen uns einen Roten nach dem anderen. Der Wirt, Alejandro, gibt uns irgendwann den Tipp, besser auf eine Flasche umzusteigen, dass sei günstiger. Guter Tipp.
Gegen Abend wechseln wir von der Terrasse in den Gastraum. Nun wollen wir lecker essen. Timo und ich wollen uns für gebratene Gambas in Knoblauchöl entscheiden, aber der Wirt empfiehlt uns dringen den Pulpo (Tintenfisch) in Knoblauchöl zu probieren. Nach etwas Bedenkzeit machen wir das auch. Man soll auch mal etwas anderes probieren. Siggi nimmt lieber etwas bewährtes. Der Pulpo erweist sich als die goldene Wahl. Super lecker.
Mit Alejandro sprechen wir über den Jakobsweg. Es ist ihn kurz vor uns mit einem Freund zusammen gefahren und er drängt darauf, dass wir uns sein Mountainbike ansehen. Das kann man nicht abschlagen. Als Laie würde ich sagen, dass es mit unseren Rädern identisch ist, was Schaltung und Bremsen angeht. Natürlich lobe ich es in den höchsten Tönen, ohne jedoch überheblich zu werden. Das ehrt ihn sichtlich.
Zu unserem Vermieter, Manolo, meint er, dass dieser ein „Pirata“ sei. Nun, beschwichtige ich ihn, wir haben für 5 Tage 250 € bezahlt. Das war bestimmt kein Schnäppchen, aber auch nicht zu teuer, wenn man bedenkt, dass wir die Räder unterstellen und eine Küche mitbenutzen konnten. Das war unter dem Strich schon in Ordnung.
Den Abschluss des schönen Tages bilden einige Baccardi, die uns letztlich eine wohlige Bettschwere verleihen.
23.05.2012 Mittwoch
Tag 33
Santiago de Compostella (E) – Münster (D)
Heute geht es zurück nach Hause. Wir kommen ziemlich früh in die Hufe. Timo geht nach dem Duschen zum Bäcker und holt Brot. Alles andere haben wir schon gestern gekauft. Siggi und ich machen das Frühstück klar und packen unsere Sachen. Als Timo wiederkommt, wird gefuttert, abgewaschen und gepackt. Manolo zieht schon unsere Betten ab und legt sie über die Stühle, wo zu diesem Zeitpunkt auch noch Sachen von uns liegen. Es hat keine Zeit zu verschwenden. Die nächsten Pilger können jeden Augenblick eintreffen.
Wir verabschieden uns und bedanken uns für die nette und freundliche Unterstützung. Er sagt, dass er sich freuen würde, wenn wir wieder seine Gäste wären, wenn wir nach Santiago kämen. Wer
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