Den schnapp ich mir Roman
eigene.«
India zuckte wieder die Achseln. Sie begriff nicht ganz, warum Milly ihre Mutter so ablehnte. Henny wirkte auf
sie immer freundlich und mütterlich. Und es war kaum ihre Schuld, dass Millys Vater gestorben war und sie praktisch heimatlos gemacht hatte.
Da tauchte David, Millys Bruder, in der Ferne auf, legte beide Hände um den Mund und rief: »Ich kann fast erkennen, was du zum Mittagessen hattest, India. Bedeck dich bitte.«
David war achtzehn, schlaksig und in gewisser Hinsicht sexbesessen. Jetzt kam er mit Freddie Penry-Jones im Schlepptau auf sie zu. Er kaute an einem riesigen Sandwich mit Hühnchen und Mayonnaise. Unter den einen Arm hatte er sein Französischbuch geklemmt. Freddie wirkte trotz des warmen Wetters in seinem langen leichten Mantel über den Jeans und Stiefeln lässig und elegant.
Rasch fuhr Milly sich mit den Fingern durch das blonde Haar und dachte, wenn sie doch bloß mehr Lipgloss benutzt hätte. India blieb genauso liegen, weil sie wusste, dass der verlockende Anblick ihres strahlend weißen Tangahöschens David vermutlich völlig verrückt machte.
David setzte sich betont lässig auf die andere Mauerseite und legte sein Französischbuch auf den Rasen. Er hatte India immer ziemlich einschüchternd empfunden, aber zum Teil vermutlich nur, weil sie India hieß und nicht Jean. Sie war sehr hübsch, das konnte man nicht abstreiten, und er hasste sich selbst, weil er einen ziemlich lüsternen Blick auf ihre goldbraunen Schenkel und die knappe Unterwäsche geworfen hatte.
»Mal beißen?« Er hielt Milly das Sandwich hin.
»Nein, danke«, erwiderte sie ablehnend. »Das hat vermutlich mehr als tausend Kalorien.«
»Lasst mich wissen, wenn ihr mehr Dope braucht«, warf Freddie mit seinem fürchterlichen Oberklassenakzent ein. »Ich habe eine ausgezeichnete Quelle.«
Damit schüttelte er seine fast schwarzen Haare aus den Augen und begann geschickt, einen neuen Joint zu drehen.
Milly blickte ihn verstohlen an. Freddie war der Sohn eines der reichsten Männer in England. Er war attraktiv und unerreichbar und Objekt vieler ihrer heimlichen und ziemlich erotischen Träume. Sie spürte, wie eine heiße Welle sehr angenehmer Scham sie durchflutete, als sie an die unaussprechlichen Dinge dachte, die sie sich letzte Nacht von ihm erträumt hatte. In seiner Gegenwart aber fühlte sie sich immer ziemlich verlegen und brachte kein Wort heraus. Freddie war groß, hatte blaubeerfarbene Augen und lange Finger, die aussahen, als könne er damit wunderbar Mädchen bedienen …
Doch ärgerlicherweise behandelte er sie wie eine kleine Schwester. Wie um diesen Gedanken zu bestätigen, tat er jetzt so, als würde er ihr einen Kinnhaken versetzen.
»Na, wie geht’s, Miss Milly-Vanilli?«
So, wie er ihren Kosenamen aussprach, wackelten Milly die Knie, doch tief drinnen wusste sie genau, dass er damit eher Zuneigung ausdrücken wollte statt sexuelle Anziehung.
»Nicht schlecht. Wir sehen Rufus und Clemmie beim Einzug zu.«
»Ich kann es kaum glauben, dass Tessa Meadmore die Reportage machen wird.« Freddies Augen wurden vor Begierde ganz dunkel. »Die ist ja dermaßen fit!«
David löste seinen Blick von India. »Ist das die Maus vom Frühstücksfernsehen? Breiter Mund, längliche Nase?«
»Ein Gesicht wie ein Engel, ein Köper wie für die Sünde geschaffen«, bestätigte Freddie. »Ihre Beine reichen ihr bis zu den Achselhöhlen, und in die moosgrünen Augen könntest du dich glatt hineinstürzen.«
Milly sank das Herz. Das fehlte ihr gerade noch, dass Freddie diese Fernsehdiva toll fand. Sie ließ ihre blonden
Haarsträhnen nach vorn vor das Gesicht fallen, damit niemand sah, wie unglücklich sie war. Vermutlich war er genau wie sein Vater. Hugo Penry-Jones war bereits zum dritten Mal verheiratet, und jedes Mal waren die Frauen jünger geworden. Freddie dachte vermutlich, dass ein so großer Altersunterschied total heiß war.
»Wenn ich lesbisch wäre«, nölte India mit ihrer rauen Stimme und hob dabei leicht den Kopf, »dann würde ich mich auf Tessa Meadmore geradezu stürzen.«
»Na, das ist wirklich eine tolle Vorstellung.« Freddie pfiff durch die Zähne.
David explodierte fast. Gott, das Mädchen war provokant. Wenn er doch bloß von sich sagen könnte, dass India ihn völlig kaltließ, aber das wäre eine glatte Lüge. Er hatte eine Schwäche für blasse Rothaarige, und India, mit ihrem fast gelblichen Teint von einem Selbstbräunungsmittel und den eher orangefarbenen als
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