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Denkanstöße 2013

Denkanstöße 2013

Titel: Denkanstöße 2013 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Nelte
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Käse gereicht wurde, machte der König höchstpersönlich an.
    Kein anderer Ort ist besser geeignet, das Wesen Friedrich Wilhelms I. zu erfassen, als das südlich von Berlin gelegene Schloss Wusterhausen. »Wunderlicher« als dort habe »wohl nie ein König Hof gehalten. Ein ländlicher Gutshaussaal mit Geweihen und jagdlichen Emblemen an Pfeilern und Wänden, eine Tabakstube, die zugleich als Speisekammer an den kalten, regnerischen Tagen diente; zwei Räume für die Königin, die als einzige am Kamin ein wenig schmückende Stukkatur aufwiesen; ein paar enge Kammern für die … Gäste; ein schmales Gelass mit einem steinernen Waschtrog für ihn selbst – dies alles genügte dem König.« Bei Manövern wurden sogar noch Soldaten im Schloss einquartiert. In seinen »Wanderungen durch die Mark Brandenburg« zog Theodor Fontane (1819–1898) das Fazit: »Ein prächtiger Platz für einen Waidmann und eine starke Natur, aber freilich ein schlimmer Platz für ästhetischen Sinn.«
    Der französische Philosoph Voltaire (1694–1778) hat über diesen seltsamen Monarchen ein vernichtendes Urteil gefällt: »1740 starb in Berlin … der unwirscheste aller Könige, der unbestreitbar sparsamste und der an flüssigem Geld reichste: der dicke Preußenkönig Friedrich Wilhelm. Sein Sohn … unterhielt seit mehr als vier Jahren eine ziemlich rege Verbindung mit mir. Vielleicht waren auf der ganzen Welt Vater und Sohn sich nie so unähnlich wie diese beiden Monarchen. Der Vater, ein wahrer Vandale, war während seiner ganzen Regierungszeit nur darauf bedacht, Geld anzuhäufen und mit so geringen Kosten wie möglich die schönsten Truppen Europas zu unterhalten … Auf diese Weise brachte er es fertig, in den 28 Jahren seiner Regierung in den Kellern seines Schlosses in Berlin an die 20 Millionen Taler anzuhäufen, die in großen mit Eisenreifen beschlagenen Fässern aufbewahrt wurden … Der Monarch verließ dieses Schloss zu Fuß, in einem schäbigen Rock aus blauem Tuch mit Messingknöpfen …, und wenn er sich einen neuen Rock anschaffte, ließ er die alten Knöpfe verwenden. In diesem Anzug, mit einem dicken Feldwebelknüppel bewaffnet, nahm Seine Majestät täglich die Parade … ab … Wenn Friedrich Wilhelm die Parade abgenommen hatte, spazierte er durch seine Stadt; jedermann ergriff schleunigst die Flucht. Wenn er einer Frau begegnete, fragte er sie, warum sie ihre Zeit auf der Straße vertrödle: ›Scher dich heim, Weib; eine anständige Frau gehört ins Haus.‹ Und er begleitete diese Ermahnung mit einer saftigen Ohrfeige, mit einem Fußtritt in den Bauch oder mit ein paar Stockschlägen. So traktierte er auch die Diener des heiligen Evangeliums, wenn es sie gelüstete, die Parade zu sehen. Es lässt sich denken, wie erstaunt und verdrossen dieser Vandale war, einen geistreichen, anmutigen, höflichen Sohn zu haben, der gefallen und sich bilden wollte, musizierte und Verse schrieb. Sah er ein Buch in den Händen des Kronprinzen, warf er es ins Feuer; spielte der Prinz Flöte, zerbrach er die Flöte; und bisweilen traktierte er die Königliche Hoheit [= den Kronprinzen], wie er die Damen und die Prediger auf der Straße traktierte.«
    Voltaire hat den »Soldatenkönig« nicht persönlich gekannt. Alles, was er über ihn geschrieben hat, wusste er nur vom Hörensagen. Manches mag ihm Friedrich der Große selbst erzählt haben. Daher entbehrt das verheerende Urteil des Philosophen nicht der Fehler und der Übertreibungen, wie sie beim »Hörensagen« gern vorkommen. Doch der Kontrast zwischen König und Kronprinz hätte tatsächlich kaum größer sein können. Und ebendieser Gegensatz war die Saat für das Drama eines Vater-Sohn-Konflikts, das in der gescheiterten Flucht des 18-jährigen Kronprinzen seinen Höhepunkt erreichte.
    Konflikte zwischen Herrschern und Thronfolgern waren in der frühen Neuzeit keine Seltenheit. Der erste preußische König Friedrich I. war nach dem Tod des eigentlichen Kurprinzen Karl Emil (1655–1674) immer nur die ungeliebte zweite Wahl seines Vaters geblieben, und auch der »Soldatenkönig« selbst hatte zu seinen Eltern ein problematisches Verhältnis gehabt. Weder konnte er mit dem künstlerischen Mäzenatentum

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