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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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mit. Der Restaurator hängte den Hörer ein, nahm seinen Schilling aus dem Geldrückgabefach und ging weiter.
    Sein Ziel war ein kleines italienisches Restaurant im Judenviertel. Vor den Nazis hatten in Wien fast 200.000 Juden gelebt, und Juden hatten das kulturelle und geschäftliche Leben Wiens beherrscht. Heute lebten hier nur noch einige tausend Juden, hauptsächlich Zuwanderer aus Osteuropa, und das sogenannte Judenviertel war ein Streifen mit Textilgeschäften, Restaurants und Nachtclubs um den Judenplatz herum. Die Wiener kannten diesen Bezirk als Bermudadreieck, ein Ausdruck, den der Restaurator vage beleidigend empfand.
    Die Frau und der Sohn des Restaurators warteten auf ihn - an einem der hinteren Tische mit Blick zur Tür sitzend, genau wie er's ihr beigebracht hatte. Der kleine Junge saß neben seiner Mutter und sog durch rosenfarbene Lippen Butterspaghetti ein. Er beobachtete sie einen Augenblick, begutachtete ihre Schönheit, wie er ein Kunstwerk begutachtet hätte: die Technik, die Struktur, die Komposition. Sie hatte einen blassen, olivfarbenen Teint, ovale braune Augen und langes schwarzes Haar, das sie heute zu einem Zopf geflochten hatte, der über ihre rechte Schulter hing.
    Er betrat das Restaurant. Er küßte seinen Sohn aufs Haar, schwatzte auf italienisch mit dem Mann hinter der Bar und setzte sich. Seine Frau schenkte ihm Rotwein ein.
    »Nicht zuviel. Ich muß heute abend noch arbeiten.«
    »Im Dom?«
    Er zog die Lippen herunter, legte den Kopf leicht schief. »Bist du mit dem Packen fertig?«
    Sie nickte, dann sah sie wieder zu dem Fernseher über der Bar hinüber. In Tel Aviv heulten Luftschutzsirenen, eine weitere irakische SCUD-Rakete war im Anflug auf Israel. Die Bürger von Tel Aviv setzten Gasmasken auf und flüchteten in Luftschutzkeller. Die Einstellung wechselte: eine Flammenzunge stürzte von dem schwarzen Himmel auf die Stadt herab. Die Frau des Restaurators griff über den Tisch und  berührte seine Hand.
    »Ich möchte nach Hause.«
    »Bald«, sagte der Restaurator und schenkte sich Rotwein nach.
    Sie hatte den Wagen - einen dunkelblauen Mercedes mit Wiener Kennzeichen, den eine kleine Chemiefirma in Bern geleast hatte - auf der Straße ganz in der Nähe des Restaurants geparkt. Er setzte den Jungen hinten in den Wagen, schnallte ihn an, küßte seine Frau.
    »Bin ich bis sechs Uhr nicht da, ist irgendwas schiefgegangen. Du weißt, was du zu tun hast?«
    »Ich fahre zum Flughafen, nenne das Kennwort und gebe ihnen die Klarierungsnummer. Dann kümmern sie sich um uns.«
    »Sechs Uhr«, wiederholte er. »Komme ich nicht bis spätestens sechs Uhr durch die Tür, fährst du auf dem kürzesten Weg zum Flughafen. Laß den Wagen auf dem Parkplatz stehen, und wirf die Schlüssel weg. Hast du verstanden?«
    Sie nickte. »Komm einfach bis sechs heim.«
    Der Restaurator schloß die Autotür, winkte ihnen durchs Glas knapp zu und ging davon. Vor ihm schien der hell angestrahlte Glockenturm des Stephansdoms über den Dächern der Altstadt zu schweben. Noch eine Nacht, sagte er sich. Dann bis zum nächsten Auftrag für ein paar Wochen nach Hause.
    Hinter sich hörte er den Anlasser des Mercedes kurz eingreifen, dann zögern, wie eine mit falscher Geschwindigkeit abgespielte Schallplatte. Der Restaurator machte halt und warf sich herum.
    »Nein!« brüllte er, aber sie drehte den Schlüssel erneut nach rechts.

TEIL I -  BESCHAFFUN G
    1 Port Navas, Cornwall, Gegenwar t
    Der Zufall wollte es, daß Timothy Peel in derselben Juliwoche in dem Dorf ankam wie der Fremde. Seine Mutter und er bezogen ein heruntergekommenes Häuschen am Ende des Tidebeckens mit ihrem neuesten Liebhaber, einem mäßig erfolgreichen Bühnenautor namens Derek, der zuviel Wein trank und Kinder verabscheute. Der Fremde kam zwei Tage später an und quartierte sich in dem alten Lotsenhäuschen am Fluß knapp oberhalb der Austernfarm ein.
    Peel hatte in diesem Sommer wenig zu tun - wenn Derek und seine Mutter sich nicht lautstark liebten, unternahmen sie inspirierende Gewaltmärsche entlang der Klippen -, deshalb beschloß er herauszufinden, wer der Fremde war und was er in Cornwall machte. Peel überlegte sich, daß er am besten damit anfing, ihn zu beobachten. Mit seinen elf Jahren und als einziges Kind geschiedener Eltern verstand Peel sich ausgezeichnet auf die Kunst, Menschen zu beobachten und Ermittlungen anzustellen. Wie jeder gute Überwachungskünstler brauchte er einen ständigen Beobachtungsposten. Er entschied

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