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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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umhersummende Mücke erschlagen hätte. Mit Händeklatschen und stählernen Blicken trieb sie ihre Legionen zusammen und führte sie hinaus aus dem Vorraum und hinein in die nächste Schlacht gegen ihren Erzfeind, die Unordnung.

    Dort, in jener Halle hinter der Tür, hingen in langen Reihen verstaubte Banner an den Wänden, ein verschossenes Bestiarium phantastischer Tiere: der sonnengoldene Hengst des Mehrdon-Clans, Nabbans schimmerndes Wappen, der Eisvogel sowie Eule und Ochse, Otter, Einhorn und Basilisk – Glied um Glied schweigender, schlafender Geschöpfe. Kein Luftzug bewegte diese fadenscheinigen Stoffbahnen; selbst die Spinnweben hingen leer und längst verlassen herunter.
    Aber trotzdem hatte sich eine Kleinigkeit verändert imThronsaal: In diesem Raum voller Schatten gab es wieder etwas Lebendiges. Mit der dünnen Stimme eines kleinen Jungen oder eines sehr alten Mannes sang jemand ein leises Lied.
    Am äußersten Ende der Halle hing zwischen den Standbildern der Hochkönige des Hochhorstes ein gewichtiger Wandteppich, ein Gobelin mit dem königlichen Wappen, Feuerdrachen und Baum. Die grimmigen Malachitstatuen, eine Sechser-Ehrenwache, flankierten einen riesigen, schweren Sessel, der ganz aus vergilbendem Elfenbein geschnitzt zu sein schien, mit knotigen, knöchrigen Armlehnen, die Rückenlehne überragt von einem ungeheuren, vielzahnigen Schlangenschädel mit Augen wie schattige Teiche.
    Auf diesem Sessel und davor saßen die beiden Figuren. Die kleine, buntscheckig gekleidete, sang; es war ihre Stimme, die vom Fuß des Thrones aufstieg, zu schwach, um auch nur ein einziges Echo auszulösen. Zu ihr hinunter beugte sich eine abgemagerte Gestalt, die auf der Kante des Thrones hockte wie ein altes Raubtier – ein müder, gefesselter Raubvogel, angekettet an den stumpfen Knochen.
    Der König, drei Jahre lang krank und geschwächt, war zurückgekehrt in seine staubige Halle. Er lauschte dem kleinen Mann, der zu seinen Füßen sang; die langen, fleckigen Hände des Königs umklammerten die Armlehnen seines großen, vergilbenden Thrones.
    Er war ein hochgewachsener Mann – einst sogar sehr hochgewachsen, jetzt aber gebeugt wie ein Mönch beim Gebet. Er trug ein Gewand von himmelblauer Farbe, das an ihm herunterhing, und war bärtig wie ein Usires-Prophet. Quer über seinem Schoß lag ein Schwert, das glänzte, als sei es frisch poliert; auf der Stirn saß die eiserne Krone, über und über mit seegrünen Smaragden und geheimnisvollen Opalen besetzt.
    Das Männchen zu Füßen des Königs hielt einen langen, stillen Augenblick inne und begann dann ein neues Lied:
    Kannst du Tropfen zählen, wenn kein Regen fällt?
    Kannst im Fluss du schwimmen, der kein Wasser hält?
    Kannst du Wolken fangen? Nein, das kann nie geschehn …
    Und der Wind rief ›Warte!‹ im Vorübergehn.
    Ja, der Wind rief ›Warte!‹ im Vorübergehn …
    Als die Weise verklungen war, streckte der große alte Mann im blauen Gewand die Hand nach unten, und der Narr nahm sie. Keiner von beiden sagte ein Wort.
    Johan Presbyter, Herr von Erkynland und Hochkönig von ganz Osten Ard, Geißel der Sithi und Verteidiger des wahren Glaubens, Schwinger des Schwertes Hellnagel, Verderben des Drachen Shurakai … Johan der Priester saß wieder auf seinem Thron aus Drachenbein. Er war alt, sehr alt, und hatte geweint.
    »Ach, Strupp«, flüsterte er endlich, und seine Stimme war tief, doch brüchig vom Alter, »das muss wohl doch ein unbarmherziger Gott sein, der mich in diesen elenden Zustand versetzen konnte.«
    »Vielleicht, Herr.« Der kleine alte Mann im buntscheckigen Wams lächelte ein runzliges Lächeln. »Vielleicht … aber gewiss würden andere nicht über Grausamkeit klagen, wenn sie Eure Stellung im Leben erreicht hätten.«
    »Aber das meine ich ja gerade, alter Freund!« Der König schüttelte unwillig den Kopf. »In diesem Schattenalter schwacher Hinfälligkeit sind alle Menschen gleich geworden. Jeder holzköpfige Schneiderlehrling hat mehr vom Leben als ich!«
    »Ach, nicht doch, Herr …« Strupps grauer Kopf wackelte von einer Seite auf die andere, aber die Glöckchen an seiner Kappe, lange schon ohne Klöppel, klingelten nicht. »Herr, Ihr beklagt Euch zu angemessener Zeit, doch ohne angemessene Vernunft. Alle Menschen, ob groß oder klein, müssen den letzten Gang antreten. Ihr hattet ein schönes Leben.«
    Johan der Priester hielt den Griff von Hellnagel vor sich wie einen Heiligen Baum. Er fuhr sich mit dem Rücken der langen,

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