Der Duft des Sussita
Regal … ist sehr nett von Ihnen, geehrter Herr. Mir reicht das Regal vollkommen. Ich verstehe nichts von Büchern.
Ich gebe Ihnen das Regal nur, wenn Sie die Bücher mitnehmen, das wäre sozusagen meine Bedingung, sagte ich und war nicht wenig überrascht von meinen eigenen Worten.
Gerne nehme ich alles, was Sie mir geben, geehrter Herr, sagte der Mann, aber was sollte ich mit den Büchern? Bei uns, den Drusen, gibt es die Klasse der Gelehrten, der religiösen Führer, einerseits, und die Klasse des einfachen Volkes, andererseits. Ich gehöre zum einfachen Volk. Das einfache Volk macht, was das Volk so macht, es arbeitet, und die Priester, unsere Führung, machen das, was sie machen.
Nehmen Sie einfach die Bücher, fiel ich dem Drusen ins Wort.
In seinem Gesicht spiegelten sich Ratlosigkeit und Enttäuschung.
Mit langsamen Schritten betraten wir meine Wohnung.
Ob alles in Ordnung sei?
Der Druse nickte so, als wollte er Nein sagen, sein Kopf bewegte sich mechanisch von links nach rechts, von rechts nach links, wie ein Metronom. Er stand mit unbewegtem Gesichtsausdruck da und brachte kein Wort hervor. Eine unheimliche Stille trat ein.
Um die Atmosphäre zu lockern, bot ich meinem Gast einen Kaffee an. Der aromatische Geruch des Kaffees verbreitete sich im Raum. Wir tranken schlürfend. Dazu zündeten wir zwei Zigaretten an. Der Tabakrauch vermischte sich mit dem Duft des frischen Kaffees.
Nachdem wir den Kaffee getrunken und einige Baklava als Nachtisch genossen hatten, folgte mir der Druse in das Zimmer, in dem das Regal stand. Ihm gefiel, was er sah. Er lachte. Ich lachte auch, denn es freute mich, dass mein Gast sich nun erleichtert fühlte.
Schon lange wollte ich mich der Bücher von Martin Walser, Ernst Jünger, Martin Heidegger, Wladimir Jabotinsky und anderer Faschisten entledigen. Es war höchste Zeit, denn solche Bücher im Haus zu haben bringt nichts als Unglück und schafft schlechte Energie.
Bevor mein Gast mit dem Regal und den in einen großen schwarzen Müllsack gestopften Büchern weiter seinen Geschäften nachging, tranken wir einige Gläser Wasser und redeten noch eine kleine Weile über dies und jenes, bis wir uns mit einem Händeschütteln voneinander trennten.
Einige Stunden nach dieser Begegnung trat ich auf den Balkon. Ungläubig blickten meine Augen auf Feuer und Asche in der Luft. Es sah aus, als leuchteten Weihnachtsbäume am Himmel.
Ich rannte zum Fernseher. In der Tat handelte es sich um einen Waldbrand mitten im wunderschönen Karmelgebirge. Eine Tragödie, eine Katastrophe. Es gab zahlreiche Tote, mehr als vierzig. Menschen, die ihre Häuser verloren hatten.
Ein ausgebranntes Auto war nun auf dem Bildschirm zu sehen. Plötzlich flatterten angebrannte Buchseiten durch die Luft wie asthmatische Insekten.
Ein Ascheregen voll verbrannter Bücher.
Pause
Ratlosigkeit.
Pause
Bilder der Zerstörung.
Sirenen. Tumult. Hektik.
Pause
Feuer und Asche.
Nochmal das Bild des ausgebrannten Autos.
Bilder ohne Worte. Sprechende Bilder.
Pause
Verbrannte Bücher. Ein Haufen verbrannter Bücher.
Den Titel eines Buches konnte man noch identifizieren: Tod eines Kritikers.
Ein Mann mit einem gepflegten Schnurrbart stand vor dem ausgebrannten Auto – es war der Druse.
Seine Augen füllten sich mit Tränen. In seinem Mund sah ich eine Zigarette.
KAMELE IM SCHATTEN
Eine jüngere und eine ältere Frau, Tochter und Mutter, beschließen in stillem Einvernehmen, die Kirche zu verlassen – keine x-beliebige Kirche, nein, den Stolz der Stadt, der ganzen Region, einzigartig in ihrer Bedeutung und Strahlkraft, die Verkündigungskirche in Nazareth.
Vor dem endgültigen Heraustreten aus der Kirche, vor dem Tor aller Tore halten die Frauen kurz inne.
Sie denken über den Altar in der Höhle nach, über den Erzengel Gabriel, der haargenau an dieser Stätte Maria verkündete, was er verkünden musste. Charakteristisch für ihn und zweifellos eine beliebte Tätigkeit dieses bekanntesten Engels von allen ist naturgemäß die Verkündigung, denn etwa sechs Jahrhunderte nach diesem Ereignis wird in den Höhlen von Mekka ein Analphabet die wispernde Stimme Gabriels hören. Diesmal wird der Engel aller Engel seine Verkündigung in fließendem Arabisch anstatt im üblichen Aramäisch oder Hebräisch vorbringen, Mohammed den Koran ins Ohr flüstern, deswegen wird er nun nicht wie üblich einfach Gabriel, sondern Dschibril genannt. Dies ist aber eine andere Geschichte. Bleiben wir lieber in den
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