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0867 - Emily

0867 - Emily

Titel: 0867 - Emily Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Mitten im Satz brach Emily ab. Sie holte tief Luft und richtete sich auf. Etwas verwundert bewegte sie ihren Kopf, als wäre sie dabei, in eine völlig fremde Gegend zu schauen. Mit den gekrümmten Fingern rieb sie über die Augen. Ein trockener und zugleich bitterer Geschmack lag in ihrem Mund, aber das war nicht schlimm, das kannte sie.
    Anderes war viel wichtiger.
    Sie hatte es geschafft!
    Das Monster lebte nicht mehr, der Mann lebte nicht. Erst war er ein Mann gewesen, dann ein Monster. Sie hatte sich genau vorgestellt, wie die Ratten kamen und über seinen Körper liefen. Er war jemand, der die Ratten so unwahrscheinlich liebte, aber nur, weil sie es gewollt hatte. Er war auch ein Monster, und er war häßlich, so widerlich häßlich, und auch das hatte sie gewollt.
    Dann aber hatte sie ihn nicht mehr gewollt.
    Nicht den Mann, nicht das Monster. Und sie hatte ihre Schere genommen.
    Schnipp… schnipp… schnipp…
    »Jetzt gibt es ihn nicht mehr, jetzt gibt es ihn nicht mehr«, sang Emily und fühlte sich so glücklich.
    Daß die Wände ihres Zimmers sehr dick waren, störte sie auch nicht. Ihr war es zudem egal, wo sie wohnte, wichtig war nur, daß sie ihren Zielen und Träumen nachgehen konnte. Außerdem hatte sie nichts zu bemängeln. Nein, beschweren konnte man sich hier wirklich nicht. Alle waren mehr oder weniger freundlich zu ihr, von wenigen Menschen abgesehen, aber darum würde sie sich noch kümmern, ansonsten konnte sie sich nicht beschweren.
    Emily schwang ihren Körper auf die linke Seite. Ihre Beine verließen das Bett, sie tauchten nach unten, und die Füße schoben sich zielsicher in die flachen Pantoffeln.
    Es war Nacht. Die roten Leuchtdioden ihres Weckers waren in der Dunkelheit gut zu erkennen. Er diente als Orientierungshilfe.
    Das Fenster sah sie natürlich auch. Es zeichnete sich gleich neben ihrem Schrank ab, in dem sie ihre persönlichen Dinge verstaut hatte. Einen Tisch und einen Stuhl besaß sie ebenfalls, und wenn sie sich waschen, duschen oder wenn sie zur Toilette wollte, dann brauchte sie nur die schmale Tür an der anderen Wand aufzustoßen. Da erreichte sie dann den Waschraum, den es hier im Haus nicht in jeder Wohnung gab. Sie gehörte deshalb schon zu den Privilegierten.
    Schnipp… schnipp… schnipp…
    Das hell klingende Geräusch der beiden zuschnappenden Scherenschenkel wollte ihr einfach nicht aus dem Kopf. Immer und immer wieder dachte sie daran, und sie erfreute sich auch an diesen Gedanken, als sie auf das Fenster zuging.
    Zuvor hatte sie einen Blick auf die Uhr geworfen. Okay, Mitternacht war soeben vorbei, es war ein neuer Tag angebrochen, doch von einer stockdunklen Nacht konnte man nicht sprechen. Nicht bei diesen hellen, herrlichen Sommertagen im Juli. Da wurde es nie so richtig dunkel. Da waren die Nächte manchmal schöner als die Tage. Das Firmament war dann von einer herrlichen Weite, die Emily immer an einen riesigen Stausee erinnerte, der hineinreichte in die Unendlichkeit. Und jedesmal fragte sie sich, was wohl hinter der Grenze dieses Stausees lag.
    Das mußte der Himmel sein.
    Ja, der große Himmel mit seinen Engeln, mit der langen Leiter, mit den vielen Heiligen, zu denen sie hin und wieder betete, und die auf sie hinabschauten, aber auch weiter und tiefer sahen. Bis hinein in die allertiefste Erde, wo es keine Steine mehr gab, und wenn doch, dann waren sie glühend rot, weil das Feuer des Teufels sie anheizte, denn er lebte sehr tief unten, dieser Gehörnte mit dem Dreispitz, der all die Monster und die schwarzen Seelen in einen Topf steckte, groß wie der Stausee-Himmel, und sie dann kochte oder briet. Auf einem Spieß gesteckt, über Feuer, auf daß ihre Haut braun und dünn wurde und sie so lange schrieen, bis sie keine Stimme mehr hatten. So ging es in der Hölle zu.
    Schnipp… schnipp… schnipp…
    Wieder echote das klickende Geräusch der zuklappenden Schere durch ihren Kopf. Sie hatte das Monster geteilt. Erschaffen, es leben lassen und geteilt.
    Wo es wohl war?
    Emily hatte mal in einem Buch gelesen, daß nichts verlorenging. Wenn sie ein Stück Papier anzündete, löste sich dieses zwar in Rauch auf, aber es hatte eine andere Gestalt angenommen oder einen Zustand, was besser gedacht war. Verlorengegangen war es jedenfalls nicht. So mußte es auch mit dem Mann-Monster sein, dem Rattenmann.
    Er war auch nicht verloren.
    Der mit den Hörnern hatte ihn geholt. Er war so brutal gewesen, er hatte ihn sich geschnappt und wahrscheinlich an einen

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