Der Dunkle Turm 1 - Schwarz
erzeugten ein Muster auf seinem Gesicht. »Frage. Ich werde dir sagen, was ich weiß. Du hast mich erwischt. Es ist nur recht und billig; ich hätte es nicht für möglich gehalten. Doch deine Suche hat erst angefangen. Frage. Das wird uns schon früh genug zum Geschäft bringen.«
»Wer ist dein Herr?«
»Ich habe ihn nie zu Gesicht bekommen, aber du mußt ihn sehen. Bevor du den Turm erreichst, mußt du erst ihm begegnen, dem zeitlosen Fremden.« Der Mann in Schwarz lächelte ohne Boshaftigkeit. »Du mußt ihn umbringen, Revolvermann. Doch ich glaube, das hattest du nicht fragen wollen.«
»Woher kennst du ihn, wenn du ihn nie gesehen hast?«
»Er erschien mir einmal im Traum. Er kam zu mir, als ich ein Frischling war und in einem fernen Land lebte. Vor tausend Jahren, oder vor fünf oder zehn. Er kam in den Tagen zu mir, als die Alten das Meer noch nicht überquert hatten. In einem Land namens England. Vor Jahrhunderten teilte er mir meine Pflicht mit, obschon es zwischen meiner Jugend und meiner Apotheose kleinere Aufträge gab. Du bist es, Revolvermann.« Er kicherte. »Du siehst, es hat dich jemand ernst genommen.«
»Hat dieser Fremde keinen Namen?«
»Oh, er hat einen Namen.«
»Und wie lautet dieser Name?«
»Maerlyn«, sagte der Mann in Schwarz leise, und irgendwo in der östlichen Dunkelheit, wo die Berge lagen, bekräftigte ein Steinschlag seine Worte, und ein Puma schrie wie eine Frau. Der Revolvermann erschauerte, und der Mann in Schwarz zuckte zusammen. »Doch ich glaube, auch das wolltest du nicht fragen. Es liegt nicht in deiner Natur, so weit vorauszudenken.«
Der Revolvermann kannte die Frage; sie nagte schon die ganze Nacht in ihm, und schon Jahre vorher, dachte er. Sie lag ihm auf der Zunge, aber er sprach sie nicht aus… noch nicht.
»Dieser Fremde, dieser Maerlyn, ist er ein Günstling des Turms? So wie du?«
»Er ist viel größer als ich. Ihm wurde die Gabe verliehen, rückwärts in der Zeit zu leben. Er dunkelt . Er szintilliert . Er lebt in allen Zeiten. Und doch gibt es jemanden, der größer ist als er.«
»Wen?«
»Das Tier«, flüsterte der Mann in Schwarz ängstlich. »Der Hüter des Turms. Der Erzeuger allen Flimmers .«
»Was ist es? Was macht dieses Tier…«
»Frag nicht mehr!« rief der Mann in Schwarz. Seine Stimme bemühte sich um Festigkeit und verfiel in Flehen. »Ich weiß es nicht! Ich will es auch nicht wissen. Vom Tier zu sprechen bedeutet, vom Untergang der eigenen Seele zu sprechen. Vor Ihm ist Maerlyn so, wie ich vor ihm bin.«
»Und jenseits des Tiers ist der Turm und alles, was sich in dem Turm befindet?«
»Ja«, flüsterte der Mann in Schwarz. »Aber das alles ist nicht das, was du fragen willst.«
Das stimmte.
»Nun gut«, sagte der Revolvermann, und dann stellte er die älteste Frage der Welt. »Kenne ich dich? Habe ich dich schon einmal gesehen?«
»Ja.«
»Wo?« Der Revolvermann beugte sich eifrig nach vorne. Dies war seine Schicksalsfrage.
Der Mann in Schwarz schlug die Hände vor den Mund und kicherte wie ein kleines Kind zwischen ihnen hervor. »Ich glaube, das weißt du.«
» Wo ?« Er sprang auf die Beine, seine Hände senkten sich auf die abgenutzten Griffe der Pistolen.
»Nicht damit, Revolvermann. Sie öffnen keine Türen; sie schließen sie nur für immer.«
»Wo?« wiederholte der Revolvermann.
»Muß ich ihm einen Hinweis geben?« fragte der Mann in Schwarz die Dunkelheit. »Ich glaube, ich muß.« Er sah den Revolvermann mit brennenden Augen an. »Da war ein Mann, der dir einen Rat gegeben hat«, sagte er. »Dein Lehrmeister…«
»Ja, Cort«, unterbrach ihn der Revolvermann ungeduldig.
»Der Rat war zu warten. Das war ein schlechter Rat. Denn schon damals hatte Martens Plan gegen deinen Vater angefangen. Und als dein Vater zurückkehrte…«
»Wurde er getötet«, sagte der Revolvermann tonlos.
»Und als du angefangen hast zu suchen, war Marten nicht mehr da… er war nach Westen gegangen. Doch in Martens Gefolgschaft befand sich ein Mann, ein Mann, der die Kutte eines Mönchs und den rasierten Schädel eines Büßers hatte…«
»Walter…«, flüsterte der Revolvermann. »Du… du bist überhaupt nicht Marten. Du bist Walter !«
Der Mann in Schwarz kicherte. »Zu deinen Diensten.«
»Jetzt sollte ich dich umbringen.«
»Das wäre nicht gerecht. Schließlich war ich es, der dir Marten drei Jahre später in die Hände lieferte, als…«
»Dann hast du mich manipuliert.«
»In gewisser Weise, ja. Doch genug jetzt,
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