Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
erwählt hatte, in zwei todfeindliche Personen gegeneinander getreten, nämlich in den Gott und den Menschen. Die Einen berufen sich auf das göttliche, die Andern auf das menschliche Recht oder die Menschenrechte.
Soviel ist klar, daß in beiden Fällen sich der Einzelne nicht selbst berechtigt.
Sucht Mir heute einmal eine Handlung, die nicht eine Rechtsverletzung wäre! Alle Augenblicke werden von der einen Seite die Menschenrechte mit Füßen getreten, während die Gegner den Mund nicht auftun können, ohne eine Blasphemie gegen das göttliche Recht hervorzubringen. Gebt ein Almosen, so verhöhnt Ihr ein Menschenrecht, weil das Verhältnis von Bettler und Wohltäter ein unmenschliches ist; sprecht einen Zweifel aus, so sündigt Ihr wider ein göttliches Recht. Esset trockenes Brot mit Zufriedenheit, so verletzt Ihr das Menschenrecht durch euren Gleichmut; esset es mit Unzufriedenheit, so schmäht Ihr das göttliche Recht durch euren Widerwillen. Es ist nicht Einer unter Euch, der nicht in jedem Augenblicke ein Verbrechen beginge: eure Reden sind Verbrechen, und jede Hemmung eurer Redefreiheit ist nicht minder ein Verbrechen. Ihr seid allzumal Verbrecher!
Doch Ihr seid es nur, indem Ihr Alle auf dem Rechtsboden steht, d . h. indem Ihr es nicht einmal wißt und zu schätzen versteht, daß Ihr Verbrecher seid.
Das unverletzliche oder heilige Eigentum ist auf eben diesem Boden gewachsen: es ist ein Rechtsbegriff.
Ein Hund sieht den Knochen in eines andern Gewalt und steht nur ab, wenn er sich zu schwach fühlt. Der Mensch aber respektiert das Recht des Andern an seinem Knochen. Dies also gilt für menschlich , jenes für brutal oder »egoistisch«.
Und wie hier, so heißt überhaupt dies » menschlich «, wenn man in Allem etwas Geistiges sieht (hier das Recht), d. h. alles zu einem Gespenste macht, und sich dazu als zu einem Gespenste verhält, welches man zwar in seiner Erscheinung verscheuchen, aber nicht töten kann. Menschlich ist es, das Einzelne nicht als Einzelnes, sondern als ein Allgemeines anzuschauen.
An der Natur als solcher, respektiere Ich nichts mehr, sondern weiß Mich gegen sie zu Allem berechtigt; dagegen an dem Baume in jenem Garten muß Ich die Fremdheit respektieren (einseitigerweise sagt man: »das Eigentum«), muß meine Hand von ihm lassen. Das nimmt ein Ende nur dann, wenn Ich jenen Baum zwar einem Andern überlassen kann, wie Ich meinen Stock usw. einem Andern überlasse, aber nicht von vornherein ihn als Mir fremd, d. h. heilig, betrachte. Vielmehr mache Ich Mir kein Verbrechen daraus, ihn zu fällen, wenn Ich will, und er bleibt mein Eigentum, auf so lange Ich ihn auch Andern abtrete: er ist und bleibt mein. In dem Vermögen des Bankiers sehe Ich so wenig etwas Fremdes, als Napoleon in den Ländern der Könige: Wir tragen keine Scheu , es zu » erobern «, und sehen Uns auch nach den Mitteln dazu um. Wir streifen ihm also den Geist der Fremdheit ab, vor dem Wir Uns gefürchtet hatten.
Darum ist es notwendig, daß Ich nichts mehr als Mensch in Anspruch nehme, sondern alles als Ich, dieser Ich, mithin nichts Menschliches, sondern das Meinige, d. h. nichts, was Mir als Mensch zukommt, sondern – was Ich will und weil Ich's will.
Rechtliches oder rechtmäßiges Eigentum eines Andern wird nur dasjenige sein, wovon Dir ' s recht ist, daß es sein Eigentum sei. Hört es auf, Dir recht zu sein, so hat es für Dich die Rechtmäßigkeit eingebüßt und das absolute Recht daran wirst Du verlachen.
Außer dem bisher besprochenen Eigentum im beschränkten Sinne wird unserem ehrfürchtigen Gemüte ein anderes Eigentum vorgehalten, an welchem Wir Uns noch weit weniger »versündigen sollen«. Dies Eigentum besteht in den geistigen Gütern, in dem »Heiligtume des Innern«. Was ein Mensch heilig hält, damit soll kein anderer sein Gespötte treiben, weil, so unwahr es immer sein und so eifrig man den daran Hängenden und Glaubenden »auf liebevolle und bescheidene Art« von einem wahren Heiligen zu überzeugen suchen mag, doch das Heilige selbst allezeit daran zu ehren ist: der Irrende glaubt doch an das Heilige, wenn auch an ein unrichtiges, und so muß sein Glaube an das Heilige wenigstens geachtet werden.
In roheren Zeiten, als die unseren sind, pflegte man einen bestimmten Glauben und die Hingebung an ein bestimmtes Heiliges zu verlangen und ging mit den Andersgläubigen nicht auf's sanfteste um; seit jedoch die »Glaubensfreiheit« sich mehr und mehr ausbreitete, zerfloß der »eifrige
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