Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
sich ein hartnäckiger Kampf. Ausgeschlossen oder zugelassen – würde dasselbe sagen. Wo gäbe es aber eine Macht, sei es eine imaginäre, wie Gott, Gesetz, oder eine wirkliche, wie Ich, Du, – vor der nicht alle »gleichberechtigt« wären, d. h. kein Ansehen der Person gölte? Gott ist jeder gleich lieb, wenn er ihn anbetet, dem Gesetze gleich genehm, wenn er nur ein Gesetzlicher ist; ob der Liebhaber Gottes oder des Gesetzes bucklig und lahm, ob arm oder reich u. dergl., das macht Gott und dem Gesetze nichts aus; ebenso wenn Du ertrinken willst, ist Dir als Retter ein Neger so lieb als der trefflichste Kaukasier, ja ein Hund gilt Dir in dieser Lage nicht weniger als ein Mensch. Aber wem wäre auch umgkehrt nicht jeder ein Bevorzugter oder Zurückgesetzter? Gott straft die Bösen mit seinem Grimm, das Gesetz züchtigt die Ungesetzlichen, Du lässest Dich vom Einen jeden Augenblick sprechen und weisest dem Andern die Tür.
Die »Gleichheit des Rechts« ist eben ein Phantom, weil Recht nichts mehr und nichts minder als Zulassung, d. h. eine Gnadensache ist, die man sich übrigens auch durch sein Verdienst erwerben kann; denn Verdienst und Gnade widersprechen einander nicht, da auch die Gnade »verdient« sein will und unser gnädiges Lächeln nur Dem zufällt, der es Uns abzuzwingen weiß.
So träumt man davon, daß »alle Staatsbürger gleichberechtigt nebeneinander stehen sollen«. Als Staatsbürger sind sie dem Staate gewiß alle gleich; schon nach seinen besonderen Zwecken aber wird er sie teilen und bevorzugen oder hintansetzen, mehr jedoch muß er sie noch als gute und schlechte Staatsbürger voneinander unterscheiden.
Br. Bauer erledigt die Judenfrage von dem Gesichtspunkte aus, daß das »Vorrecht« nicht berechtigt sei. Weil Jude und Christ, jeder etwas vor dem andern voraushaben, und in diesem Voraushaben ausschließlich sind, darum zerfallen sie vor dem Blick des Kritikers in Nichtigkeit. Mit ihnen trifft der gleiche Tadel den Staat, der ihr Voraushaben berechtigt und zu einem »Vorrecht« oder Privilegium ausprägt, dadurch aber sich den Beruf, ein »freier Staat« zu werden, verkümmert.
Etwas hat nun aber Jeder vor dem Andern voraus, nämlich sich selbst oder seine Einzigkeit: darin bleibt Jedermann ausschließlich oder exklusiv.
Und wieder macht Jeder von einem Dritten seine Eigentümlichkeit so gut als möglich geltend und sucht vor ihm, wenn er anders ihn gewinnen will, diese anziehend erscheinen zu lassen.
Soll nun der Dritte gegen den Unterschied des Einen vom Andern unempfindlich sein? Verlangt man das vom freien Staate oder von der Menschheit? Dann müßten diese schlechterdings ohne eigenes Interesse sein, und unfähig, für irgendwen eine Teilnahme zu fassen. So gleichgültig dachte man sich weder Gott, der die Seinen von den Bösen scheidet, noch den Staat, der die guten Bürger von den schlechten zu trennen weiß.
Aber man sucht eben diesen Dritten, der kein »Vorrecht« mehr erteilt. Der heißt dann etwa der freie Staat oder die Menschheit oder wie sonst.
Da Christ und Jude deshalb von Br. Bauer niedrig gestellt werden, weil sie Vorrechte behaupten, müßten sie durch Selbstverleugnung oder Uneigennützigkeit aus ihrem beschränkten Standpunkte sich befreien können und sollen. Streiften sie ihren »Egoismus« ab, so hörte das gegenseitige Unrecht und mit ihm überhaupt die christliche und jüdische Religiosität auf: es brauchte nur keiner von ihnen etwas Apartes mehr sein zu wollen.
Gäben sie aber diese Ausschließlichkeit auf, so wäre damit wahrlich der Boden, auf dem ihre Feindschaft geführt wurde, noch nicht verlassen. Sie fänden allenfalls ein Drittes, worin sie sich vereinigen könnten, eine »allgemeine Religion«, eine »Religion der Menschlichkeit« u. dergl., kurz eine Ausgleichung, die nicht besser zu sein brauchte als jene, wenn alle Juden Christen würden, wodurch gleichfalls das »Vorrecht« des Einen vor dem Andern ein Ende nähme. Es wäre zwar die Spannung beseitigt, allein in dieser bestand nicht das Wesen der beiden, sondern nur ihre Nachbarschaft. Als Unterschiedene mußten sie notwendig gespannt sein, und die Ungleichheit wird immer bleiben. Das ist wahrhaftig nicht dein Fehler, daß Du gegen Mich Dich spannst und deine Absonderlichkeit oder Eigentümlichkeit behauptest: Du brauchst nicht nachzugeben oder Dich selbst zu verleugnen.
Man faßt die Bedeutung des Gegensatzes zu formell und schwächlich auf, wenn man ihn nur »auflösen« will, um für ein
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