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Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Titel: Der Einzige und sein Eigentum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Stirner
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ist, statt nach dem Seinen zu suchen. Er hat das verächtliche, fremde Gut gesucht, hat getan, was die Gläubigen tun: die nach dem trachten, was Gottes ist. Was tut der Priester, der den Verbrecher vermahnt? Er stellt ihm das große Unrecht vor, das vom Staate Geheiligte, das Eigentum desselben (wozu ja auch das Leben der Staatsangehörigen gerechnet werden muß) durch seine Tat entweiht zu haben; dafür könnte er ihm lieber vorhalten, daß er sich besudelt habe, indem er das Fremde nicht verachtete, sondern des Raubes wert hielt: er könnte es, wenn er nicht ein Pfaffe wäre. Redet mit dem sogenannten Verbrecher als mit einem Egoisten, und er wird sich schämen, nicht, daß er gegen eure Gesetze und Güter sich verging, sondern daß er eure Gesetze des Umgehens, eure Güter des Verlangens wert hielt; wird sich schämen, daß er Euch mitsamt dem Eurigen nicht – verachtete, daß er zu wenig Egoist war. Aber Ihr könnt nicht egoistisch mit ihm reden, denn Ihr seid nicht so groß wie ein Verbrecher, Ihr – verbrecht nichts! Ihr wißt nicht, daß ein eigenes Ich nicht ablassen kann, ein Verbrecher zu sein, daß das Verbrechen sein Leben ist. Und doch solltet Ihr's wissen, da Ihr glaubt, daß »wir allzumal Sünder sind«; aber Ihr denkt Euch über die Sünde wegzuschwindeln, Ihr begreift's nicht – denn Ihr seid teufelsfürchtig – daß die Schuld der Wert eines Menschen ist. O wäret Ihr schuldig! So aber seid Ihr »Gerechte«. Nun – macht eurem Herrn nur alles hübsch gerecht!
    Wenn das christliche Bewußtsein oder der Christenmensch ein Kriminalgesetzbuch verfaßt, was kann da anders der Begriff des Verbrechens sein, als eben die – Herzlosigkeit. Jede Trennung und Kränkung eines herzlichen Verhältnisses, jedes herzlose Verhalten gegen ein heiliges Wesen ist Verbrechen. Je herzlicher das Verhältnis sein soll, desto schreiender ist seine Verhöhnung, desto strafwürdiger das Verbrechen. Den Herrn soll Jeder, der ihm untertan ist, lieben: diese Liebe zu verleugnen, ist ein todeswürdiger Hochverrat. Der Ehebruch ist eine strafwürdige Herzlosigkeit, man hat kein Herz, keine Begeisterung, kein Pathos für die Heiligkeit der Ehe. Solange das Herz oder Gemüt Gesetze diktiert, genießt nur der herzliche oder gemütliche Mensch den Schutz der Gesetze. Daß der Gemütsmensch die Gesetze gebe, heißt eigentlich nur, der sittliche Mensch gebe sie: was dem »sittlichen Gefühl« dieser Menschen widerspricht, das verpönen sie. Wie sollte z. B. Untreue, Abfall, Eidbrüchigkeit, kurz alles radikale Abbrechen , alles Zerreißen altehrwürdiger Bande in den Augen derselben nicht heillos und verbrecherisch sein? Wer mit diesen Forderungen des Gemütes bricht, der hat alle Sittlichen, alle Gemütsmenschen zu Feinden. Nur die Krummacher und Konsorten sind die rechten Leute, um einen Strafkodex des Herzens konsequent aufzustellen, wie ein gewisser Gesetzentwurf zur Genüge beweist. Die konsequente Gesetzgebung des christlichen Staates muß ganz in die Hände der – Pfaffen gelegt werden, und wird nicht rein und folgerichtig werden, solange sie nur von – Pfaffendienern , die immer nur halbe Pfaffen sind, ausgearbeitet wird. Dann erst wird jede Ungemütlichkeit, jede Herzlosigkeit als ein unverzeihliches Verbrechen konstatiert werden, dann erst jede Aufregung des Gemüts verdammlich, jede Einrede der Kritik und des Zweifels anathematisiert werden; dann erst ist der eigene Mensch vor dem christlichen Bewußtsein von Haus aus ein überführter – Verbrecher .
    Die Revolutionsmänner sprachen oft von der »gerechten Rache« des Volkes als seinem »Rechte«. Rache und Recht fallen hier zusammen. Ist dies ein Verhalten eines Ichs zum Ich? Das Volk schreit, die Gegenpartei habe gegen dasselbe »Verbrechen« begangen. Kann Ich annehmen, daß Einer gegen Mich ein Verbrechen begehe, ohne anzunehmen, daß er handeln müsse, wie Ich's für gut finde? Und dieses Handeln nenne Ich das rechte, gute usw.; das abweichende ein Verbrechen. Mithin denke Ich, die andern müßten auf dasselbe Ziel mit Mir losgehen, d. h Ich behandele sie nicht als Einzige, die ihr Gesetz in sich selbst tragen und darnach leben, sondern als Wesen, die irgend einem »vernünftigen« Gesetze gehorchen sollen. Ich stelle auf, was »der Mensch« sei, und was »wahrhaft menschlich« handeln heiße, und fordere von Jedem, daß ihm dies Gesetz Norm und Ideal werde, widrigenfalls er sich als »Sünder und Verbrecher« ausweise. Den »Schuldigen« aber trifft die

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