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Der erfolgreiche Abstieg Europas

Der erfolgreiche Abstieg Europas

Titel: Der erfolgreiche Abstieg Europas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhard Sandschneider
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geworden, dass wir kaum noch darüber nachdenken, dass sie vor nur einigen Jahrzehnten längst nicht so selbstverständlich waren, wie sie es heute für uns sind. Und natürlich verdrängen wir nicht nur Gedanken an drohende Krankheiten, sondern auch den Gedanken an einen drohenden Zerfall unserer demokratischen Ordnungen und erst recht an den möglichen Abstieg im machtpolitischen Wandel unserer Zeit. Pascal Bruckner stellt das mit nüchternen Worten fest: »Wie die Demokratie ist auch die Freiheit nur kostbar, wenn sie bedroht ist; sobald sie selbstverständlich wird, ist es ganz natürlich, dass das Glück die Oberhand gewinnt; dann jedoch ist sie aufgrund einer verkehrten Dialektik wieder bedroht.« 96 Dasselbe kann man für den Platz an der Sonne internationalen Einflusses für Europa und den gesamten Westen sagen. Zum Hypochonder der internationalen Politik sollte Europa tunlichst nicht werden. Wenn diese Gefahr droht, ist es immer schwer, Zuversicht, Optimismus und das Vertrauen auf Besserung zu vermitteln. Manchmal hilft ein Placebomittel, ein Ausflug in die Welt der Fantasie, mehr als viele ernst gemeinte Medikamente. Ob ein solcher Effekt in der folgenden Metapher steckt, die man sicher auf den ersten Blick nicht in einer Debatte um die künftige Weltordnung und die zu erwartende Rolle Europas vermuten würde? Die Rede ist nämlich nicht von Politik, den unterschiedlichen Varianten von Integrationstheorien oder den alltäglichen Mühen der Europäischen Union, ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen, sondern von Asterix und Daniel Düsentrieb. 97
    Wer kennt sie nicht, die Comic-Helden vom Kiosk um die Ecke? Die Abenteuer des tapferen kleinen gallischen Kriegers, der immer siegreich den Bedrohungen durch die Weltmacht Rom widersteht, lesen auch Erwachsene. Und der tollpatschige, aber am Ende doch erfolgreiche Daniel Düsentrieb ist jedem bekannt, der schon einmal ein Micky-Maus-Heft in den Händen hielt. Am Ende repräsentieren beide auf eindrucksvolle Weise die wesentlichen Unterschiede in der Art, an ein bestimmtes Problem heranzugehen.
    Die Philosophie hinter Asterix ist die Hölle der ständigen Wiederholung. Am Anfang ist die Welt des kleinen gallischen Dorfes immer heil. Am Ende ist alles so, wie es am Anfang war. Nach bestandenen Herausforderungen ist die Welt wieder in Ordnung. Alles kann so weitergehen wie bisher. Schade, dass es nur ein Märchen ist! Denn Abhilfe schafft nur ein Zaubertrank, so wie Europa seit Jahren auf einen Zaubertrank, der alle mit einer Stimme reden lässt, zu warten scheint.
    Daniel Düsentrieb verkörpert das genaue Gegenteil: Am Anfang hat er ein Problem, das nur schwer lösbar erscheint. Aber er lässt sich nicht abschrecken und beginnt zu basteln und zu werkeln. Mehr als einmal fliegen ihm seine Lösungen um die Ohren. Am Ende ist alles anders – und es funktioniert, manchmal besser, manchmal schlechter, aber immer anders als am Anfang.
    Europa braucht weniger vom »Prinzip Asterix« und der Sehnsucht nach einem Zaubertrank für die Lösung seiner Probleme, sondern stattdessen etwas mehr vom »Prinzip Daniel Düsentrieb« und der Bereitschaft, jenseits idealistischer Traumvorstellungen durch Versuch und Irrtum seine Position in einer multipolaren Welt zu festigen. Diese Form des Pragmatismus könnte es sogar von China lernen!
    Jeder Erfolg beginnt im Kopf. Wer falsch denkt, wird in aller Regel auch falsch handeln. Europa muss im erfolgreichen Abstieg seine globale Rolle neu denken und sie dann aktiv annehmen, anstatt sich passiv ins Abseits drängen zu lassen.
    Die Wende von 1989 ist Geschichte. Die »Wendezeit« ist aber längst noch nicht vorbei. 60 Jahre Wohlstand und Frieden sind kein Ruhekissen – und schon gar keine Garantie für die ungebrochene Fortsetzung einer eindrucksvollen Erfolgsgeschichte. Die eigentlichen Herausforderungen liegen erst noch vor uns. Nur wenn wir alle – gleich in welcher Verantwortung, welcher Position oder welchem Beruf – bereit sind, uns dieser Herausforderung tagtäglich aufs Neue zu stellen, wird Europas Abstieg zum Erfolg gelingen. Eigentlich spricht nichts dagegen außer den Mauern in unseren eigenen Köpfen. Diese Mauern einzureißen, ist die wohl wichtigste Aufgabe der unmittelbaren Zukunft. Dafür braucht es eine andere, größere Perspektive.
    Bergsteiger kennen diese Situation nur zu gut. Nachdem man sich bei der Ankunft auf dem Gipfel »Berg Heil« gewünscht und die Gipfelrast mit berauschenden Ausblicken hinter

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