Der falsche Zeuge
Dummkopf zu beschreiben, wenn ich ihn in der Verhandlung als Zeugen vorladen lasse.«
»Ich will nicht, dass du ihn in den Fall hineinziehst«, sagt Ófeigur und richtet sich ein klein wenig im Stuhl auf. »Ich habe dir das doch schon gesagt.«
Ich schaue ihn schweigend an.
Lange.
Um ihn unruhig werden zu lassen. Bevor ich versuche, das aus ihm herauszuziehen, an dem ich am meisten interessiert bin: der Nummer vom Bankschließfach in der Landsbanki.
Beginne erst zu fragen, als ich sehe, dass ihm seine Situation unter meinem starrenden Blick unangenehm wird.
»Bei deiner Mama wurde eine gründliche Hausdurchsuchung gemacht«, sage ich schließlich. »Was könnten sie gefunden haben, das dir schaden könnte?«
»Nichts.«
»Bist du ganz sicher?«
Er überlegt.
»Ich will nicht von irgendeinem Müll hinterrücks überrascht werden, wenn der Fall vors Gericht kommt«, fahre ich fort. »Es wird schon schwierig genug, dich ohne zu verteidigen.«
»Was für Müll?«
»Informationen oder Unterlagen, die die Staatsanwaltschaft beim Prozess dazu nutzen könnte, dich im schlimmstmöglichen Licht darzustellen.«
Ófeigur wird besorgt. Seine Finger trommeln auf der Tischplatte, während er über meine Worte nachdenkt.
Ich versuche, ihm noch mehr auf den Pelz zu rücken: »Es ist das Beste für dich, wenn sich alles in meinen Händen befindet.«
»Das meinst du.«
»Du kannst mir vertrauen.«
»Ist das völlig sicher?«, fragt er zögerlich.
»Natürlich. Ansonsten wäre ich nicht hier.«
Der Fingertanz steigert sich. Bis er auf einmal aussetzt. »Ich habe Mama gebeten, ein Paket für mich aufzubewahren«, sagt er. »Glaubst du, dass sie es bei der Hausdurchsuchung gefunden haben?«
Ich muss mit der Antwort vorsichtig sein: »Ich habe immer noch keine Liste über alles, was sie aus der Wohnung mitgenommen haben«, antworte ich.
»Es wäre wahrscheinlich am besten, wenn du das Paket bei Mama abholst, wenn sie es immer noch hat«, murmelt er.
»Was ist darin?«
»Ein Schlüssel.«
»Und zu welchem Schloss gehört er?«
»Zu einem Bankschließfach in der Landsbanki.« Er sagt mir die Nummer. »Kannst du den Kram dort herausholen und ihn für mich verwahren, bis ich wieder rauskomme?«
»Wenn du es unbedingt willst.«
»Aber du darfst nichts anschauen«, fügt er hinzu.
Ich antworte nicht. Aber es gelingt mir so einigermaßen, meine Freude zu verbergen. Schaue Ófeigur weiterhin kalt an.
»Warum prügelst du dich mit Ausländern?«, frage ich.
»Das ist unser Land, nicht ihres«, antwortet er. »Wir wollen nur, dass sie bei sich zu Hause bleiben.«
»Du willst also nicht, dass alle, die in Island wohnen, die gleichen Rechte haben?«
»Wir haben unsere Rechte in unserem Land, sie in ihrem, und so soll das auch sein.«
»Was ist denn mit den ganzen fleißigen Leuten, die hergezogen sind und in den Berufen arbeiten, in denen Isländer nicht arbeiten wollen?«
»Das ist doch nur ein Vorwand«, antwortet Ófeigur aufgebracht. »Die Firmenchefs belügen uns mit diesen Märchen, weil sie Isländern kein anständiges Gehalt zahlen wollen.«
»Aber sogar dein toller Anführer braucht ausländische Arbeitskräfte.«
»Das ist eine Lüge! Kein Ausländer arbeitet bei ihm!«
»Ach ja? Soweit ich weiß, hat seine Eigentumsüberwachung doch erhebliche Einkünfte von Porno-Valdis Stripclubs, und da arbeiten doch fast nur Ausländer!«
Ófeigur grinst gehässig. »Meinst du die ausländischen Huren?«, fragt er.
»Ich meine die Tänzerinnen.«
»Er schickt sie nach Gebrauch immer wieder aus dem Land. Das Gleiche sollte man mit allen Ausländern machen und damit das Land ein für alle Mal säubern.«
»Hat Audólfur Hreinsson dir diese Flausen in den Kopf gesetzt?«
»Hör doch auf, mich ständig nach Audólfur zu fragen. Ich arbeite nur bei ihm.«
»Hat er dir auch beigebracht, Ausländer zu misshandeln?«
»Ich bin selber schon von diesem Pack überfallen worden!«, ruft er. »Wir haben doch das Recht, uns zu wehren!«
»Die kleine Ruta hat dich wohl kaum als Erste angegriffen.«
»Wer ist das?«
»Du kannst dich doch bestimmt an sie erinnern? Sie war gerade erst ins Land gekommen, als du und deine Kumpels eine Party in der Wohnung, in der sie übernachtet hat, abgehalten habt. Oben im Breidholt. Erinnerst du dich?«
Er lehnt sich im Stuhl zurück. Streckt seine Beine aus. »Na und?«, fragt er.
»Wer von euch hat sie vergewaltigt?«
»Diese ausländischen Huren braucht man nicht zu vergewaltigen«,
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