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Der Federmann

Der Federmann

Titel: Der Federmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bentow
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leichten Schwindel. Er sah wieder den kahlen Schädel seiner Mutter vor sich, ihre vor Angst geweiteten Augen, nachdem sie von ihrer letzten Krebsoperation erwacht war. Sie hatte leise gefragt, wie viel Zeit
ihr noch blieb. »Ist es ein Jahr? Ein halbes? Nur noch ein paar Monate?« Und Trojan hatte mit seinen achtzehn Jahren keine Antwort darauf gewusst.
    Er ballte die Hände zu Fäusten und starrte angestrengt auf den Monitor.
    Der Ausschlag wurde wieder schwächer, und auch Molls Lider bewegten sich nicht mehr.
    Es vergingen einige Minuten, ohne dass jemand sprach.
    »Zeitverschwendung«, murmelte Landsberg schließlich.
    Auf dem Monitor piepte es, die Beatmungsmaschine fauchte.
    »Hoffentlich haben wir uns nicht geirrt, Chef«, sagte Trojan.
    »Wie meinst du das?«
    »Ist nur so ein Gefühl.«
    »Was für ein Gefühl?«
    »Ich weiß nicht, eine Ahnung, so eine merkwürdige Beklemmung. «
    Landsberg starrte ihn an.
    »Du fürchtest, dass wieder etwas passieren wird?«
    Trojan antwortete nicht.
    »Verdammte Scheiße.« Landsberg schnappte nach Luft. »Mir reicht’s. Ich muss hier raus.«
    Er wandte sich zur Tür.
    Trojan hörte sie hinter sich ins Schloss fallen.
    Er blieb noch einen Moment bei dem Kranken stehen. Er war von sich selbst überrascht, als er plötzlich die Hand nach ihm ausstreckte und seine Stirn berührte.
    »Tut mir leid, Moll«, murmelte er. »Sollten wir uns geirrt haben, tut es mir leid.« Er zog die Hand zurück und ging.

SIEBZEHN
    W alter Fitzler war immer pünktlich, nur ausgerechnet an diesem Abend nicht.
    Und das hatte mit Rita zu tun.
    Rita war irgendwie anders als sonst, hübscher noch, quirliger, wie aufgedreht, und sie trug diese Bluse, die er ihr mal zu Weihnachten geschenkt hatte, und darunter den knallroten BH, den er an ihr mochte.
    Er stand in der Tür zum Wohnzimmer, als er sich das Jackett anzog, und lächelte sie an.
    Aus dem Fernseher kam gerade eine Fanfare, die Kulissen leuchteten auf. Es war diese Quizsendung, in der man zum Millionär werden konnte, wenn man auf alle Fragen die richtigen Antworten wusste, ein uraltes Format, aber Rita liebte es.
    Und Walter liebte Rita.
    »Was ist?« Sie warf ihm ein verschmitztes Lächeln zu.
    »Ach, nichts, ich schau dir nur ein bisschen beim Fernsehen zu.«
    »Du kommst noch zu spät«, sagte sie und klaubte eine Handvoll Erdnüsse aus der Schale.
    Zugegeben, Rita war ein bisschen in die Breite gegangen, aber eigentlich machte ihm das nichts aus. Wie gern würde er noch mal ihre Hüften kraulen und sich an ihren großen
Busen schmiegen, aber sie hatte ja recht, er war spät dran, Kowalski feierte seinen 55. Geburtstag im Eckbert. Er und die anderen von der Tischtennistruppe warteten sicherlich schon auf ihn. Im Eckbert würde es riesige Schnitzel geben, dazu reichlich Bier, Walter freute sich schon darauf.
    Jeden Nachmittag traf er sich mit Kowalski, Ole, Holger und Tremmel in der Parkanlage am Kanal zum Tischtennisspielen, nur nicht an den Wochenenden, denn die gehörten den Frauen, was allerdings Holger nicht betraf, denn der hatte keine, aber da musste er durch. Die beiden Platten am Kanal waren recht gut zu bespielen, hatten zwar keine Netze, aber immerhin einen Kunststoffüberzug und nicht diese Gitter, an denen der Ball immer versprang.
    Wenn es keine Tischtennisnachmittage gäbe und wenn es Rita nicht gäbe, wäre das Leben nicht lebenswert, das war zumindest die Meinung von Walter Fitzler.
    Er ging zu ihr und hockte sich neben sie, schaute kurz auf den Bildschirm. Der Kandidat schwitzte gewaltig, weil er die Antwort nicht wusste, aber er hatte ja noch den Telefonjoker und könnte einen Freund um Rat fragen.
    Fitzler kniff sanft in ihre Fettpölsterchen.
    Rita kicherte. »Aufhören, Walter, geh zu deinen Jungs und lass mich die Sendung gucken.«
    »Ist ja schon gut«, murmelte er, »mir kam da nur gerade so eine Idee –«
    »Was?«
    »Wenn wir gleich noch mal hier auf dem Sofa –«
    »Nichts da!«
    Aber sie strahlte ihn an auf eine Art, die er schon lange nicht mehr an ihr gesehen hatte.

    »Ach, Rita«, seufzte er, »das Leben ist viel zu kurz.«
    »Nun werd mal nicht sentimental, Walterchen«, sagte sie und gab ihm einen Kuss.
    Damit war er zufrieden.
    An der Wohnungstür rief er ihr noch zu: »Bin erst nach Mitternacht zurück«, und sie: »Treibt es nicht zu bunt! Und grüß mir den Kowalski.«
    Im Treppenhaus nahm er fröhlich zwei Stufen auf einmal, eigentlich beachtlich in seinem Alter, aber die frische Luft und die

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