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0903 - Nächte der Angst

0903 - Nächte der Angst

Titel: 0903 - Nächte der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Sie mußte sich entscheiden, und Vera nickte, um sich selbst Mut zu machen. Der Druck im Magen blieb, als sie mit der schweißfeuchten Hand nach dem Hörer griff und ihn anhob. Sie preßte ihn gegen das Ohr, schluckte noch einmal und war erst dann in der Lage, ein Wort zu sagen.
    »Ja…«
    Zuerst hörte sie das Lachen. Sie kannte es, sie wußte davon, und sie wußte auch, daß der andere nichts zu sagen brauchte. Er tat es trotzdem, und die Stimme ähnelte dem Lachen. Sie konnte weich sein, säuselnd und manchmal gefährlich sanft.
    »Da bist du ja!«
    »Sicher.« Mein Gott, ihr Herz. Es klopfte so irrsinnig schnell. Es war auch so hart geworden wie ein Stein, der sich in der Brust heftig bewegte.
    »Es hat lange gedauert.«
    »Ich war woanders.«
    »Nicht in der Küche?«
    »Nein.«
    »Aber dort brennt Licht.«
    »Ich weiß.«
    »Warum lügst du?«
    Vera spürte, daß sie rot wurde. Sie ärgerte sich darüber, konnte es aber nicht ändern.
    »Denk an deinen Beruf, meine Liebe. Da sollte man sich das Lügen abgewöhnen.«
    »Bitte, Lou!«
    Jetzt lachte er. Hart und herzlos. »Schon gut.« Wieder änderte sich seine Stimme. »Es hätte ja auch sein können, daß du in deinem Schlafzimmer gewesen bist.«
    »Es ist noch zu früh, um ins Bett zu gehen.«
    »Oh, was höre ich da?« rief er spöttisch. »Man braucht in einem Schlafzimmer nicht nur zu schlafen. Das weißt du doch.«
    »Kann sein.«
    »Man kann andere Dinge machen.«
    »Stimmt.«
    »Fernsehen, zum Beispiel«, erklärte er mit einem ironischen Tonfall in der Stimme.
    »Ich habe aber nicht ferngesehen, Lou.«
    »Dann ist es gut. Du weißt selbst, daß du mir keine Rechenschaft schuldig bist. Weißt du, ich sehe dich jetzt genau vor mir. Du stehst in der Küche, drehst mir den Rücken zu, was ich gar nicht toll finde, aber du kannst so bleiben. Erzähl mir nur, was du anhast, kleine Vera. Erzähl es mir.«
    »Warum sollte ich das?«
    »Weil ich es wissen will!« Jetzt zischte er die Worte hervor, und Vera erschrak.
    Der ist verrückt, dachte sie. Aber ich bin auch verrückt, daß ich mich mit Lou Ryan einlasse. Ich bin nicht mehr ganz bei Sinnen. Man müßte mich irgendwo hinschaffen. Menschen wie ich gehören auf eine einsame Insel, damit sie niemanden stören und nicht gestört werden.
    »Was hast du an?«
    Die Frage zerriß ihre Gedankenkette. »Ich bin normal angezogen.«
    »Das reicht mir nicht. Ich will es genau wissen, kleine Vera. Ich will alles wissen.«
    »Ja - gut.«
    »Dann los!« Vera Tanner mußte sich überwinden. Sie fragte sich, warum sie nicht einfach den Hörer auf den Apparat schmetterte und den Spuk beendete. Sie wußte, daß sie es nicht konnte. Daß damit der Spuk auch nicht vorbei war. Er würde erneut wählen, er würde sie wieder anrufen, immer und immer wieder. Dann würde der Horror von vorn beginnen. Sie wollte ihn nicht hören, nicht sehen, nicht anfassen, zugleich aber sehnte sie sich nach ihm. Sie wollte seine Stimme hören und seinen Körper anfassen, der so anders war als der von Alex. So fest, so behaart, beinahe tierisch, ein wilder, animalischer Körper.
    Ich schaffe es wieder nicht, dachte Vera. Ich fließe wieder weg, ich werde zu weich. Sie hörte sich selbst sprechen, doch es kam ihr vor wie die Stimme einer Fremden. »Jeans habe ich an, flache Schuhe, auch einen Pullover…«
    »Ist es der rote?«
    »Nein, dieser ist weiß.«
    Lou lachte meckernd. »Weiß wie die Unschuld - oder?«
    »Nein, nicht ganz. Mehr beige.«
    »Und die Jeans?«
    »Blau, tiefblau - wie Tinte.«
    »Hm«, sagte er, »paßt gut zusammen, kleine Vera. Du hast Geschmack, das muß man dir lassen. Aber du hast mir nicht alles erzählt«, flüsterte Lou weiter. »Was trägst du darunter? Etwa nichts?«
    »Doch, ich…«
    »Was denn, Kleine? Stell dich nicht so an. Raus mit der Sprache! Wir sind doch unter uns.«
    Sie holte tief Luft und schüttelte den Kopf. Sie wollte es nicht sagen und preßte es doch hervor. »Ich habe einen Slip an, einen weißen Slip.«
    »Oh, nicht schlecht. Sehr eng?«
    »Kann sein.«
    »Schau nach!«
    »Wie meinst du das?«
    »Hör auf, Vera, du hast mich schon verstanden - okay?«
    Sie schaute nach. Sie tat alles, was er wollte, sie würde es immer tun, obwohl sie sich dagegen stemmte. Sie war ihm, nein, nicht hörig, aber…
    »Nun?«
    »Ja!« brachte sie hervor. »Er ist eng, sehr eng sogar.«
    Lou fing an zu lachen. Dieses harte Geräusch riß Vera aus diesem Alptraum zurück in die Wirklichkeit, aber sie konnte sich

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