Der Gang vor die Hunde (German Edition)
Erpressung!« rief Labude.
»Der Rechtsanwalt, den mir der Direktor auf den Hals schickte, fand das auch. Ich mußte einen Wisch unterschreiben, bekam hundert Mark, und aus war’s mit der Lebensrente. Na ja, nun bin ich hier und lebe vom Bauch in den Mund.«
»Es ist furchtbar«, sagte Labude zu Fabian, »es ist schrecklich, wie viele Direktoren das Angestelltenverhältnis mißbrauchen.«
Die Dicke rief: »Ach Mensch, was redst du da. Wenn ich ein Mann wäre und ein Fabrikdirektor dazu, ich hätte dauernd Angestelltenverhältnisse.« Dann fuhr sie Fabian in die Haare, versetzte ihm einen Kuß, ergriff seine Hand und legte sie platt auf ihren satten Magen. Labude und Paula tanzten miteinander. Sie hatte tatsächlich krumme Beine.
In der Nachbarnische sang eine Frau laut und mit betrunkener Stimme:
»Die Liebe ist ein Zeitvertreib,
man nimmt dazu den Unterleib.«
Die Dicke sagte: »Die nebenan ist ’ne Marke. Sie gehört gar nicht hierher, kommt in teuren Pelzmänteln an, aber darunter trägt sie was ganz Durchsichtiges. Es soll eine reiche Frau aus dem Westen sein, sogar verheiratet. Sie holt sich junge Kerle in die Nische, bezahlt für sie und gibt an, daß die Wände rot werden.« Fabian erhob sich und blickte über die halbhohe Zwischenwand weg nebenan.
Dort saß in einem grünseidenen Badeanzug eine große gutgewachsene Frau und war, unter Absingung von Liedern, dabei, einen Reichswehrsoldaten, der sich verzweifelt wehrte, auszuziehen. »Kerl!« rief sie, »mach nicht so einen schlappen Eindruck! Los! Zeig den Ausweis!« Aber der brave Infanterist stieß sie zurück. Fabian fiel jene bekannte ägyptische Ministersgattin ein, die den armen Josef, den begabtesten Urenkel Abrahams, so schamlos belästigt hatte. Da stand die Grüne auf, packte ein Sektglas und taumelte zur Brüstung.
Es war nicht Frau Potiphar, sondern Frau Moll. Jene Irene Moll, deren Schlüssel er im Mantel hatte.
Schwankend stand sie an der Balustrade, hob das spitze Glas hoch und warf es in den Saal hinunter. Es zersprang auf dem Parkett. Die Musiker setzten die Instrumente ab. Die Tanzpaare hoben erschrocken die Köpfe. Alle blickten zu der Nische herauf.
Frau Moll streckte die Hand aus und rief: »Männer nennt sich das! Wenn man sie anpackt, gehn sie aus dem Leim! Meine sehr verehrten Damen, ich schlage vor, die Bande einzusperren. Meine sehr verehrten Damen, wir brauchen Männerbordelle! Wer dafür ist, der hebe die Hand!« Sie schlug sich emphatisch vor die Brust und bekam davon den Schlucken. Im Saal wurde gelacht. Der Geschäftsführer war schon unterwegs. Irene Moll fing an zu weinen. Das Schwarz der getuschten Wimpern verflüssigte sich, und die Tränen liniierten ihr Gesicht. »Laßt uns singen!« schrie sie schluchzend und schluckend. »Wir singen das schöne Lied vom Klavierspiel!« Sie breitete beide Arme aus und brüllte:
»Auch der Mensch ist nur ein Tier,
immer, und erst recht zu zweit.
Komm und spiel auf mir Klavier!
Komm und spieleee auf mir
die Schule der Geläufigkeit.
Dazu bin ich ja …«
Der Geschäftsführer hielt ihr den Mund zu, sie mißverstand die Bewegung und fiel ihm um den Hals. Dabei sah sie den zu ihr hinblickenden Fabian, riß sich los und schrie: »Dich kenn ich doch!« und wollte zu ihm. Aber der Reichswehrsoldat, der sich inzwischen erholt hatte, und der Geschäftsführer packten sie und drückten sie auf einen Stuhl. Im Saal wurde wieder musiziert und getanzt.
Labude hatte während der Szene gezahlt, gab Paula und der Dicken etwas Geld, faßte Fabian unter und zog ihn fort.
In der Garderobe fragte er: »Sie kennt dich wirklich?«
»Ja«, sagte Fabian, »sie heißt Moll, ihr Mann ist Rechtsanwalt und zahlt jede Summe, wenn man mit ihr schläft. Die Schlüssel dieser komischen Familie habe ich noch in der Tasche. Hier sind sie.«
Labude nahm die Schlüssel weg, rief: »Ich komme gleich wieder!« und lief in Hut und Mantel zurück.
Sechstes Kapitel Der Zweikampf am Märkischen Museum – Wann findet der nächste Krieg statt? – Ein Arzt versteht sich auf Diagnose
Als sie auf der Straße standen, fragte Labude ärgerlich: »Hast du mit dieser Verrückten etwas gehabt?«
»Nein, ich war nur in ihrem Schlafzimmer, und sie zog sich aus. Plötzlich kam noch ein Mann hinzu, behauptete, mit ihr verehelicht zu sein, ich solle mich aber nicht stören lassen. Dann las er mir einen ungewöhnlichen Kontrakt vor, den die Beiden geschlossen hatten. Und dann ging ich.«
»Warum nahmst du die
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