Der gruene Heinrich [Erste Fassung]
Leuten, die ihn nicht kannten, in das kleine Kirchlein und hörte deutlich den Geistlichen, der das Gebet zu sprechen hatte, den Namen seiner Mutter verkünden mit ihrem Geburts-und Todestage und die Zahl ihrer Jahre mit ihrem Herkommen und ihrem Stande.
Ohne weiter zu hören, ging er hinaus und suchte das Grab, an welchem der Sarg stand auf der Bahre. Eben nahm der altbekannte Totengräber die obere schwarze Tuchdecke von demselben und legte sie bedächtig zusammen, dann die untere von weißer Leinwand, welche der Sitte gemäß eine Handbreit unter der schwarzen Decke hervorsehen muß, und endlich stand das bloße rosige Tannenholz da. Heinrich konnte nicht durch die Bretter hindurchsehen, er sah nur, wie jetzt der Sarg in die Erde gesenkt und mit derselben zugedeckt wurde, und er rührte sich nicht. Die Leute verliefen sich, unter denen Heinrich eine Menge sah und kannte, ohne sie doch zu sehen und zu kennen; der Kirchhof leerte sich, und ein Mann nahm ihn bei der Hand und führte ihn auch fort. Es war der brave Nachbar, welcher auf seiner Hochzeitsreise ihn erst aufgesucht und ihm Nachricht von der Mutter gebracht hatte. Heinrich ging mit ihm über die Brücke und in die Stadt hinauf. Er betrachtete wohl alle Dinge auf dem Wege und warf hierhin einen Blick und dorthin einen und antwortete auch dem Nachbar ordentlich auf seine Fragen, die derselbe an ihn richtete, in der Meinung, ihn munter zu erhalten. Als sie in die Gasse gelangten, wo das alte Haus stand, wollte Heinrich, ohne etwas anderes zu denken, hineintreten; aber fremde Leute sahen aus demselben, und der Nachbar führte ihn hinweg und in sein eigenes Haus, so daß also Heinrich nicht wieder in die Tür treten konnte, durch welche seine Jugend aus-und eingegangen.
Als er bei dem Nachbar endlich in der Stube und von den guten glücklichen Leuten teilnehmend begrüßt war, erleichterte es ihr Benehmen gegen ihn, zu sehen, daß er in seinem Äußern in guten Umständen und in guter Ordnung erschien; er fragte sie, indem er sich setzte, nun um seine Mutter, und sie erzählten ihm, was sie wußten.
Nachdem sie lange in Kummer und stummer Erwartung auf ihren Sohn oder ein Zeichen von ihm gewartet, wurde sie gerade um die Zeit, als Heinrich sich im Herbste auf den Heimweg begeben hatte und dann im Hause des Grafen haftenblieb, aus ihrem Hause vertrieben, in welchem sie achtundzwanzig Jahre gewohnt; denn nachdem es ruchbar geworden, daß sie jenes Kapital für ihren Sohn aufgenommen, von welchem nichts weiter zu hören war, hielt man sie um dieser Handlung willen für leichtsinnig und unzuverlässig und kündigte ihr die Summe. Da sie trotz aller Mühen dieselbe nicht aufs neue aufbringen konnte, indem niemand sich in diesen Handel einlassen zu dürfen glaubte, mußte sie endlich den Verkauf des Hauses erdulden und mit ihrer eingewohnten Habe, von welcher jedes Stück seit soviel Jahren an selbem Platze unverrückt gestanden, in eine fremde ärmliche Wohnung ziehen, über welchem mühseligen und verwirrten Geschäft sie fast den Kopf verlor. Den Rest des Verkaufswertes legte sie aber nicht etwa wieder an, um aufs neue zu sparen und das Unmögliche möglich zu machen, sondern sie legte ihn gleichgültig hin und nahm davon das wenige, was sie brauchte, aber ohne zu rechnen. Übrigens bemühten sich jetzt die Leute um sie, halfen ihr, wo sie konnten, und verrichteten ihr alle Dienste, welche sie sonst anderen so bereitwillig geleistet. Sie ließ es geschehen und kümmerte sich nichts darum, sondern brütete unverwandt über dem Zweifel, ob sie unrecht getan, alles an die Ausbildung und gemächliche Selbstbestimmung ihres Sohnes zu setzen, und dies Brüten wurde einzig unterbrochen von der zehrenden Sehnsucht, das Kind nur ein einziges Mal noch zu sehen. Sie setzte zuletzt eine bestimmte Hoffnung auf den Frühling, und als dieser verging und der Sommer anbrach, ohne daß er kam, starb sie.
Auf Heinrichs Frage, ob sie ihn angeklagt, verneinten das die Nachbarsleute, sondern sie habe ihn immer verteidigt, wenn jemand auf sein Verhalten angespielt; jedoch habe sie dabei geweint, und auf eine Weise, daß ihre Tränen unwillkürlichen Vorwurfs genug schienen gegen den verschollenen Sohn. Dies verhehlten ihm die guten Leute nicht, weil sie ein wenig Bitterkeit ihm für zuträglich hielten und dachten, es könne ihm, da er nun in gutem Gedeihen begriffen sei, nicht schaden, etwas gekränkt zu werden, damit der Ernst um so länger vorhalte und er nun ein gründlich guter
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