Der Herr der Ringe
dem Grund der Schlucht war ein ebenes Stück, wo der Bach geräuschvoll über schimmernde Kiesel floss. Hier rasteten sie. Es war jetzt nahezu drei Stunden nach Mittag, und es lagen erst wenige Meilen zwischen ihnen und dem Tor von Moria. Schon stand die Sonne im Westen.
Während Gimli und die beiden jüngeren Hobbits ein Feuer aus Reisig und Tannenholz entfachten und Wasser schöpften, kümmerte sich Aragorn um Sam und Frodo. Sams Wunde war nicht tief, sah aber hässlich aus, und Aragorns Gesicht war ernst, als er sie untersuchte. Dann sah er erleichtert auf.
»Du hast Glück gehabt, Sam«, sagte er. »Viele haben als Bezahlung dafür, dass sie ihren ersten Ork erschlagen haben, Schlimmeres erhalten als das. Der Schnitt ist nicht vergiftet, was die Wunden von Orkklingen oft sind. Er sollte gut heilen, nachdem ich ihn behandelt habe. Bade die Wunde, wenn Gimli heißes Wasser hat.«
Aus seinem Beutel holte er einige verwelkte Blätter hervor. »Sie sind trocken und mögen etwas von ihrer Heilkraft verloren haben«, sagte er. »Aber immerhin sind es noch ein paar Blätter von athelas, die ich nahe der Wetterspitze gesammelt habe. Zerdrücke eins im Wasser und wasche die Wunde sauber, und dann werde ich sie verbinden. Jetzt bist du an der Reihe, Frodo.«
»Ich bin ganz in Ordnung«, sagte Frodo, der nicht wollte, dass seine Kleider berührt wurden. »Ich brauche nichts als etwas zu essen und ein wenig Ruhe.«
»Nein!«, sagte Aragorn. »Wir müssen uns anschauen, was Hammer und Amboss dir getan haben. Ich staune immer noch, dass du überhaupt am Leben bist.« Vorsichtig streifte er Frodos alte Jacke und das abgetragene Wams ab, und ihm stockte der Atem. Dann lachte er. Der silberne Harnisch schimmerte vor seinen Augen wie Sonnenstrahlen auf welliger See. Behutsam zog er ihn aus und hielt ihn hoch, und die Edelsteine darauf glitzerten wie Sterne, und der Klang der geschüttelten Ringe war wie das Plätschern von Regen auf einem Teich.
»Schaut, Freunde!«, rief er. »Hier ist ein hübsches Hobbitfell, um ein Elbenprinzlein einzuhüllen! Wenn es bekannt wäre, dass Hobbits solche Pelze haben, dann würden alle Jäger von Mittelerde ins Auenland reiten.«
»Und alle Pfeile aller Jäger der Welt wären vergeblich«, sagte Gimli und starrte voll Staunen auf das Kettenhemd. »Es ist ein Mithril-Harnisch. Mithril! Einen so schönen habe ich noch nie gesehen oder davon erzählen hören. Istdies das Hemd, von dem Gandalf sprach? Dann hat er seinen Wert unterschätzt. Aber es war ein wohlverdientes Geschenk!«
»Ich habe mich oft gefragt, was du und Bilbo so heimlich in seinem kleinen Zimmer treibt«, sagte Merry. »Gesegnet sei der alte Hobbit! Ich liebe ihn mehr denn je. Hoffentlich haben wir Gelegenheit, ihm davon zu berichten!«
Frodo hatte eine schwärzlich blaue Quetschung auf der rechten Seite und auf der Brust. Unter dem Kettenhemd trug er ein Hemd aus weichem Leder, aber an einer Stelle waren die Ringe durch das Leder hindurch ins Fleisch gedrückt worden. Auch an der linken Seite hatte Frodo Prellungen, wo er gegen die Wand gestoßen worden war. Während die anderen eine Mahlzeit vorbereiteten, badete Aragorn die Wunden mit Wasser, in dem athelas eingeweicht worden war. Der prickelnde Duft erfüllte die Schlucht, und alle, die sich über das dampfende Wasser beugten, fühlten sich erfrischt und gestärkt. Bald ließen Frodos Schmerzen nach, und das Atmen fiel ihm leichter; allerdings war er noch tagelang steif und bei jeder Berührung empfindlich. Aragorn machte ihm einen dicken, weichen Verband auf die Seite.
»Das Hemd ist wunderbar leicht«, sagte er. »Zieh es wieder an, wenn du es aushalten kannst. Ich bin von Herzen froh, dass du einen solchen Harnisch trägst. Lege ihn nicht ab, auch nicht zum Schlafen, es sei denn, das Schicksal führt dich an einen Ort, wo du eine Zeitlang in Sicherheit bist; aber das wird kaum vorkommen, solange deine Reise dauert.«
Als sie gegessen hatten, machte sich die Gemeinschaft zum Weitergehen bereit. Sie löschten das Feuer und beseitigten alle Spuren. Dann kletterten sie aus der Schlucht heraus und folgten wieder der Straße. Sie waren noch nicht weit gegangen, als die Sonne hinter den westlichen Höhen versank und große Schatten über die Berghänge herabkrochen. Dämmerung verhüllte ihre Füße, und Nebel stieg aus den Mulden auf. Weit im Osten lag das Abendlicht blass auf der undeutlich erkennbaren Landschaft ferner Ebenen und Wälder. Sam und Frodo fühlten sich
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