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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Neugier an.
    »Es ist eine Heirat im Werke, eine Heirat, wie sie selten vorkommt. Die Heirat eines zweideutigen Frauenzimmers und eines jungen Mannes, welcher Kammerjunker sein könnte. Dieses Weib soll in das Haus geführt werden, in dem meine Tochter und meine Frau leben! Aber solange ich atme, wird sie es nicht betreten! Ich werde mich auf die Schwelle legen; mag sie über mich hinwegschreiten!... Mit Ganja rede ich jetzt fast gar nicht, ich vermeide es sogar, mit ihm zusammenzutreffen. Ich teile Ihnen das absichtlich vorher mit; wenn Sie bei uns wohnen werden, werden Sie ja doch ohnedies Zeuge dieser Vorgänge werden. Aber Sie sind der Sohn meines Freundes, und ich bin zu der Hoffnung berechtigt...«
    »Tun Sie mir doch den Gefallen, Fürst, und kommen Sie zu mir in den Salon!« rief Nina Alexandrowna, die nun selbst an der Tür erschien.
    »Denke dir nur, liebe Frau«, rief der General, »es stellt sich heraus, daß ich den Fürsten auf meinen Armen gewiegt habe!«
    Nina Alexandrowna warf dem General einen vorwurfsvollen, dem Fürsten einen prüfenden Blick zu, sagte jedoch kein Wort. Der Fürst folgte ihr; aber kaum waren sie in den Salon gekommen und hatten sich gesetzt, und kaum »Und ob!« rief der General. »Das Kriegsgericht ging auseinander, ohne einen Beschluß gefaßt zu haben. Eine ganz unglaubliche Geschichte! Ja, man kann sogar sagen: eine geheimnisvolle Geschichte. Der Hauptmann und Kompaniechef Larionow lag im Sterben, und dem Fürsten wurden provisorisch dessen dienstliche Obliegenheiten übertragen; gut. Der Gemeine Kolpakow begeht einen Diebstahl; er entwendet einem Kameraden ein Paar Stiefel und vertrinkt sie; gut. Der Fürst – wohlgemerkt, es war in Gegenwart des Feldwebels und des Korporals – macht Kolpakow gehörig herunter und droht, ihn auspeitschen zu lassen. Sehr gut. Kolpakow geht in die Kaserne, legt sich auf seine Pritsche und stirbt eine Viertelstunde darauf. Vortrefflich, aber doch ein unerwarteter, fast unglaublicher Vorgang. Wie dem nun auch sein mochte, Kolpakow wurde begraben; der Fürst erstattete Bericht, und dann wurde Kolpakow aus den Listen gestrichen. Man könnte meinen, es ließe sich gar nichts Besseres denken. Aber genau ein halbes Jahr nachher, bei der Brigademusterung, erscheint der Gemeine Kolpakow, als wäre überhaupt nichts vorgefallen, in der dritten Kompanie des zweiten Bataillons des Nowosemljaschen Infanterieregiments, das zu derselben Brigade und zu derselben Divison gehörte wie unser Regiment!«
    »Wie!« rief der Fürst, ganz außer sich vor Erstaunen.
    »Es verhält sich nicht so, das ist ein Irrtum!« wandte sich Nina Alexandrowna plötzlich zu ihm, wobei sie ihn fast bekümmert ansah. »Mon mari se trompe.« »Aber liebe Frau, se trompe, das ist leicht gesagt, aber kläre du doch selbst einmal einen solchen Fall auf! Alle waren wie vor den Kopf geschlagen. Ich würde der erste sein, der da sagte, qu'on se trompe. Aber unglücklicherweise war ich Zeuge dieser Vorfälle und gehörte zugleich der Untersuchungskommission an. Alle Konfrontationen bewiesen, daß das derselbe, ganz derselbe Gemeine Kolpakow war, den man ein halbes Jahr vorher mit der üblichen Leichenparade unter Trommelwirbel beerdigt hatte. Es war tatsächlich ein seltener, fast unglaublicher Fall, das gebe ich zu, aber...«
    »Papa, es ist für Sie zum Mittagessen gedeckt«, meldete Warwara Ardalionowna, die ins Zimmer trat.
    »Ah, das ist ja schön, ausgezeichnet! Ich habe auch schon gewaltigen Hunger... Aber dieser Fall hat, kann man sagen, auch seine psychologische Seite...«
    »Die Suppe wird wieder kalt werden«, drängte Warwara ungeduldig.
    »Gleich, gleich!« murmelte der General und verließ das Zimmer. »Und trotz aller Nachforschungen...«, hörte man ihn noch auf dem Korridor sagen.
    »Sie werden meinem Manne Ardalion Alexandrowitsch vieles nachsehen müssen, wenn Sie bei uns wohnen bleiben«, sagte Nina Alexandrowna zum Fürsten. Er wird Sie übrigens nicht zuviel belästigen, er speist auch allein zu Mittag. Sie geben gewiß selbst zu, daß jeder seine Mängel und seine... besonderen Eigentümlichkeiten hat und die Leute, auf die man mit Fingern zu zeigen pflegt, oft noch nicht einmal so arg sind wie manche andern Menschen. Nur um eins möchte ich Sie dringend bitten: sollte mein Mann sich einmal an Sie wegen der Zahlung für das Zimmer wenden, so sagen Sie ihm, Sie hätten schon an mich bezahlt! Das heißt, auch was Sie Ardalion Alexandrowitsch gäben, würde bei der

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