Der junge Häuptling
Hinterkopf die drei Adlerfedern. Der Indianer war groß und schlank wie alle seines Volkes. In seiner Erscheinung drückten sich eine in sich selbst verschlossene Fremdheit und Überlegenheit gegenüber dem weißen Mann aus. Durch Adams ging ein Ruck der Überraschung. Er erkannte sein Gegenüber.
Wenn man den jungen Burschen in diesem Augenblick gefragt hätte, was er eigentlich empfand, so wäre er kaum imstande gewesen, Rechenschaft zu geben. In den vergangenen beiden Jahren hatte er mehr als einmal an den Dakota gedacht, der jetzt ihm gegenüber hielt. Harry Tokei-ihto war ein gefährlicher Gegner. Er kämpfte um sein Land, für sein Volk und um die Rache an dem Mörder seines Vaters. Adams zweifelte nicht, daß auch er selbst im Gedächtnis des Dakota als einstiger Geselle des Red Fox fest haftete.
Der Indianer war vom Pferd gestiegen, und Adams folgte diesem Beispiel. Der Dakota nestelte die Pfeife los, rieb Funken und tat den ersten Zug. Adams steckte sich eine Zigarette an. Er hatte zwar vom Major Auftrag, keinen Aufenthalt entstehen zu lassen, aber der Major hatte nicht wissen können, daß der beobachtete Indianer der Häuptling der gefürchteten Bärenbande selbst war. Hier waren Ruhe und Höflichkeit am Platze, wenn man etwas erfahren und etwas erreichen wollte. Adams sagte nichts. Der Indianer war der Ankömmling und verpflichtet, zuerst zu sprechen.
»Mein Gruß dem weißen Mann«, begann der Häuptling. »Ich bin gekommen, um zu fragen, warum die weißen Männer sich hier im Land der Dakota niederlassen und sich Waffen hierherholen, mit denen sie auf uns schießen wollen.«
Adams fuhr sich durch den blonden Schopf. »Ja, verflucht, was soll ich dir darauf antworten? Wir sind eben da. Wir sind so viele, und daheim ist kein Platz für uns arme Schlucker. Wir hungern und darben, dann setzen wir uns auf ein großes Schiff und fahren in das freie Land Amerika. Wir denken, daß wir da ein besseres Leben gewinnen.«
Der Dakota rauchte. Seine Mienen blieben verschlossen. »Ihr gebt uns kein Land«, sagte er. »Warum wollt ihr das unsere nehmen?«
»Weil ihr mit eurem Land nichts anfangen könnt.« Adams, der Farmersohn, kam in sein Fahrwasser. »Was macht ihr denn aus den Prärien und Wäldern? Gar nichts. Ihr jagt, und vielleicht pflanzt ihr etwas Mais, wo er gerade wächst, oder ihr erntet Reis, wo Gott ihn hat wachsen lassen, und im übrigen bleibt alles beim alten und eine große Wildnis. So geht das aber nicht. Man muß einen Pflug zur Hand nehmen und das Land urbar machen, und Vieh muß man züchten.«
Der Häuptling hatte den Blick gesenkt. »Tust du das?« Der Bursche wurde rot. »Ich mußte weg«, sagte er. »Wer vertreibt dich?«
»Die Grundstücksgesellschaften … das ist so eine Sorte wie die Pelzhandelsgesellschaften, die du von der Grenze kennst. Sie betrügen jeden kleinen Mann.«
»Woher kommen diese Handelsgesellschaften? Sind das auch arme Leute, die zu Hause nichts zu essen hatten?«
»Nein. Du weißt Bescheid. Hast wohl nicht umsonst jahrelang bei uns gelebt. Die Handelsgesellschaften bestehen aus reichen Leuten, die bringen ihr Geld schon mit. Dann können sie uns fressen wie die großen Haie die kleinen Fische.«
»Ist das gerecht?«
»Nein. Aber was willst du dagegen machen? Ich will Gold finden, um mein Land zu bezahlen.« Das letzte war Adams unbeabsichtigt herausgefahren. Er bereute die Worte sofort, aber es war zu spät.
Die Züge des Dakota wurden wie Holz, das der Haß geschnitzt hat. »Goldsucher und Landräuber!« Er ließ die Pfeife ausgehen, verwahrte sie wieder und stand auf. Adams erhob sich, ebenfalls ohne weitere Worte, denn er spürte wohl, daß keine Erklärung und keine Entschuldigung mehr etwas nützen konnten.
»Ich wünsche Major Smith zu sprechen«, nahm der Dakota in einem kalten und stolzen Ton die Unterredung wieder auf. »Ich habe ihm einiges über seine Kolonne zu sagen, die besiegt und vernichtet worden ist.«
»Willst du mit Smith verhandeln, Häuptling?« Adams versuchte vergeblich, den durchdringenden Blick des anderen zu erforschen.
»Ich wünsche Major Smith zu sprechen.«
»Dein Ehrenwort, daß du allein bist und die Zeit der Verhandlung nicht benutzt, um uns von deinen Leuten überfallen zu lassen?«
»Ihr könnt sicher sein.«
»Gut. Dann komme mit auf die Station.«
»Du sicherst mir freies Kommen und Gehen?«
»Ja.«
Adams war von zu Hause gewohnt, daß man dem Wort eines frei lebenden Indianers vollständig vertrauen konnte und
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