Der Krieg am Ende der Welt
fühlen, die ihren Chef in dieser schwierigen Lage sehen. Aber Sekunden später ist er sich sicher, daß auch sie nichts machen werden, daß auch sie die Partie schon verloren haben.
»Einem Mann die Hand ins Gesicht legen, wie eben ich Ihnen, ist schlimm«, sagt er, während er seinen Hosenschlitz aufmacht, rasch das Glied herausholt und einen dünnen Strahl durchsichtigen Urins auf den Hosenboden des Fähnrichs Maranhão spritzen sieht. »Aber noch schlimmer ist, auf einen zu pissen.«
Während er das Glied zurückschiebt und sich die Hose zuknöpft, immer horchend auf das, was hinter seinem Rücken geschieht, sieht er, daß der Fähnrich wie im Fieber zittert, sieht,daß ihm Tränen aus den Augen springen und daß er nicht weiß, was anfangen mit seinem Körper, seiner Seele.
»Mir ist es egal, daß andere mich Räuber-Jäger nennen, denn ich bin es gewesen«, sagt er endlich, als er den Fähnrich sich aufrichten, weinen, zittern sieht, wohl wissend, wie sehr er ihn haßt und daß er auch jetzt die Pistole nicht ziehen wird. »Aber meine Männer mögen es nicht, daß man sie Verräter der Republik nennt, denn das ist falsch. Sie sind genau so gute Republikaner und Patrioten wie sonst einer.«
Er fährt sich mit der Zunge über den Goldzahn, sehr rasch.
»Sie können jetzt dreierlei tun, Fähnrich«, sagt er zum Schluß.
»Beim Oberkommando Klage einreichen. Kann sein, daß ich degradiert werde oder sogar den Dienst quittieren muß. Das würde mir nicht viel ausmachen, denn solange es Banditen gibt, kann ich mir den Lebensunterhalt damit verdienen, daß ich sie jage. Das zweite: Sie können Satisfaktion von mir verlangen, und Sie und ich tragen die Sache privat aus, ohne Rangabzeichen, mit dem Revolver oder dem Jagdmesser oder sonst einer Waffe Ihrer Wahl. Und das dritte: Sie können versuchen, mich hinterrücks zu töten. Mal sehen, wofür Sie sich entscheiden.« Er legt die Hand an die Mütze und deutet einen Gruß an. Der letzte Blick sagt ihm, daß sein Opfer den ersten Weg wählen wird, möglicherweise den zweiten, aber nicht den dritten, wenigstens nicht jetzt. Er entfernt sich, ohne die acht Gaucho-Soldaten eines Blickes zu würdigen, die sich noch immer nicht gerührt haben. Als er in Richtung Feldlager zwischen den zerlumpten Skeletten durchgeht, hängen sich zwei magere Krallen an seine Stiefel. Es ist eine haarlose Alte, klein wie ein Kind, die ihn aus grindigen Augen ansieht.
»Willst du wissen, wo João Abade ist?« stammelt der zahnlose Mund.
»Ja«, sagt Oberst Macedo. »Hast du ihn sterben sehen?« Die kleine Alte schüttelt den Kopf und schnalzt mit der Zunge, als würde sie etwas lutschen.
»Also ist er entkommen?«
Wieder verneint die Alte, eingekreist von den Augen der gefangenen Frauen.
»Ein paar Erzengel haben ihn in den Himmel getragen«, sagt sie und schnalzt mit der Zunge. »Ich habe sie gesehen.«
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