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Der Mann, der sein Leben vergaß

Der Mann, der sein Leben vergaß

Titel: Der Mann, der sein Leben vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Maß rauchte und keine Leidenschaften kannte. Er sammelte Briefmarken und besuchte jeden Sonntag das Kino.«
    Die Schilderung des biederen Bürgers Pieter van Brouken ließ Trambaeren ein leichtes Lächeln über das Gesicht fliegen. Gleichzeitig aber verstärkte sich auch in ihm der Verdacht, daß das Nicht-nach-Hause-Kommen eines solch gewissenhaften und pedantischen Menschens tiefere und für ihn unabwendbare Ursachen haben mußte. An ein Verbrechen wagte er zunächst nicht zu denken, denn Feinde hatte Pieter van Brouken nicht besessen, ein Mord lohnte sich nicht, eine Entführung als Erpressungsgeißel war völlig unfruchtbar … blieb also nur eine Flucht übrig, eine wohlüberlegte oder auch plötzlich notwendige Flucht.
    Felix Trambaeren begann blitzschnell im Kopf die Situation durchzudenken und daraus logische Schlüsse zu ziehen. Van Brouken war Sparkassenkassierer. Angenommen, es stände eine Kassenrevision bevor, und der kleine Beamte hätte hie und da einmal in die Kasse gegriffen, um seiner kleinen Frau ein Kleid oder dem Kind ein Spielzeug zu kaufen, so wäre ein kopflose Flucht schon denkbar. Plötzlich erinnerte sich Trambaeren, daß vor sechs Wochen in Amsterdam eine große Briefmarkenauktion gewesen war, für die er als Überwachung fünf Detektive stellen mußte. Sagte nicht die dicke Witwe, daß van Brouken Briefmarken sammelte? Vielleicht war er ein leidenschaftlicher Sammler, der die fehlenden Gulden für die Auktion aus der Kasse nahm, sie nicht voll zurückzahlen konnte und nun flüchtig war?! Immerhin ein Motiv, das denkbar und gar nicht so selten war.
    Trotzdem wagte es Trambaeren nicht, Antje van Brouken diesen Verdacht mitzuteilen. Ihm tat die kleine, blonde, schluchzende Frau auf einmal leid. Ihre Hilflosigkeit und ihr unerschütterlicher Glaube an Pieter schienen ihm zu stark, um sie durch einen bloßen Verdacht vollends zu zerbrechen, und so stand er auf und trat mit einer beruhigenden Geste auf Antje zu.
    »Liebe Frau van Brouken, es besteht gar kein Anlaß, jetzt schon den Kopf hängen zu lassen. Vielleicht klärt sich alles als ein harmloser Scherz auf. Vor Ablauf von 24 Stunden nach dem Verschwinden kann und darf die Polizei sowieso nichts unternehmen, wenn keinerlei Anhaltspunkte vorhanden sind, die auf ein Verbrechen oder ein deutliches Motiv hinweisen. Sollte Ihr Gatte bis morgen abend 5 Uhr noch nicht zurück sein, so kommen Sie bitte wieder zu mir. Ich werde in der Zwischenzeit vorsorglich Erkundigungen einholen.«
    Dankbar drückte Antje van Brouken dem Inspektor die Hand. Mitleidvoll geleitete Trambaeren sie hinaus und wandte sich dann mit einem Ruck an den bisher stillen Ferdinand Brox in der Ecke.
    »Was sagen Sie dazu, Brox?« fragte er erstaunt. »Ist das nun ein Ehemann auf Abwegen oder das Opfer eines Verbrechens?«
    »Untergeordnete Beamte, mit Ausnahme der Polizei, werden selten umgebracht«, sagte Brox gemütlich. »Auf Abwegen ist der Mustergatte aber auch nicht!«
    »Also – wie ich schon seit Beginn denke – auf der Flucht! Motiv: kleine Unterschlagung!«
    Brox sah seinen Chef einen Augenblick erstaunt an, dann schüttelte er den Kopf.
    »Daran habe ich gar nicht gedacht. Alle Achtung! Aber ich glaube es nicht! Mir scheint eher, wir hätten hier einen Fall, der in der Kriminalgeschichte äußerst selten ist: ein Verschwinden ohne Motiv!«
    »Ausgeführt von van Brouken selbst?«
    »Ja.«
    »Dann wäre das ja ein Fall von Schizophrenie! Ein Komplex, eine Wahnvorstellung!« rief Trambaeren. »Sie glauben, daß van Brouken Pathologe ist?«
    »Das will ich nicht gesagt haben«, erwiderte Brox. »Aber sehen Sie sich einmal das bisherige Leben dieses Mannes an. Wie eine Maschine, pünktlich, peinlich genau, auszirkuliert, fast wie ein Roboter. Selbst im häuslichen Kreise verliert er nicht den wohlausgewogenen Rhythmus. Sicherlich ist van Brouken sehr sensibel und trotz seiner – sagen wir einmal – beamtenhaften Dickfelligkeit äußerst nervenschwach und mit Komplexen behaftet. Ein kleiner Anstoß von außen, der einen dieser Komplexe nach oben trägt, kann schlagartig das ganze Leben dieses Menschen wandeln.«
    Trambaeren hatte mit sichtlicher Spannung zugehört und dachte nun einen Augenblick scharf nach.
    »Eure moderne Psychologie hat etwas Frappantes«, meinte er nach einer Weile. »Aber ob Komplexe so stark sind, um einen unbescholtenen, völlig realen Menschen mir nichts dir nichts ins Blaue flüchten zu lassen? Das scheint mir eine unwahrscheinlich kühne

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