Der Piratenfuerst
Strich zusammengepreßt waren; die Rudergasten, die nackten Rücken der Geschützbedienungen und Keen mit seinen Signalgasten...
Die Bootsmannspfeifen schrillten. Schattenhaft glitten die Toppmatrosen an den Webleinen empor, um mehr Segel zu setzen.
Davy rief herüber: »Vielleicht will Mr. Herrick weitermachen wie geplant, Sir!«
Mit einem Blick auf Allday, der aufmerksam den Schoner beobachtete, erwiderte Bolitho gelassen: »Sieht beinahe so aus, Mr. Davy.«
Unter dem Zug der obersten Segel tauchte die Undine noch tiefer in das milchige Wasser. Schaumfetzen flogen über Back und Netze wie Gespenster. Der Schiffsrumpf erzitterte stöhnend unter dem Druck, und wenn Bolitho nach oben blickte, sah er, daß die Royalrahen sich durchbogen. Der Wimpel am Masttopp war jetzt deutlich zu erkennen; die Uniformröcke der Seesoldaten, die in schwankenden Reihen bei den Finknetzen angetreten standen oder mit ihren Musketen und Drehgeschützen oben in den Toppen knieten, leuchteten rot wie Blut.
Als er befahl: »Signal wiederholen, Mr. Keen!« kam ihm seine eigene Stimme fremd vor.
Soames stand am Verschlußblock eines Zwölfpfünders und hielt sich mit beiden Händen am Decksgang fest. Er starrte auf das Land. Dann blickte er nach achtern zu Bolitho und zuckte kurz mit den Schultern. Im Geist hatte er Herrick wohl bereits abgeschrieben.
»Das wird nichts!« sagte Keen heiser. »Ohne Ruder treibt der Schoner bei diesem Wind an der Insel vorbei. Bestenfalls explodiert er mitten in der Durchfahrt!«
Da schrillte Penns Knabenstimme vom Geschützdeck: »Ich habe eine Trompete gehört!«
Bolitho rieb sich die Augen, in denen schmerzhaft das Salz biß. Also eine Trompete. Ein Posten in der Festung mußte den Schutz der Mauern verlassen und auf See hinausgeblickt haben. Den Schoner hatte er wohl sofort gesehen, und in ein paar Minuten mußte auch die Undine entdeckt werden.
Das Brausen der See, die Geräusche des Schiffs wirkten plötzlich lauter denn je; jedes Stück des Riggs und der Segel knallte und summte im Chor, als die Undine dem Land und dem hellen Dreieck aus Gischt, welches die Einfahrt in die Passage markierte, immer näher kam.
Ein dumpfer Krach tönte über das Wasser, und ein Mann rief: »Sie haben das Feuer eröffnet, Sir!«
Bolitho griff nach einem Teleskop. Mit grimmigen Gesichtern hockten die Geschützbedienungen vor ihren Kanonen oder warteten hinter den geschlossenen Stückpforten. Hofften. Fürchteten sich...
Es war schwierig, das Glas einzustellen. Mit gespreizten Beinen suchte er festen Stand auf dem schlüpfrigen, schwankenden Deck. Die Masten des Schoners kamen ins Blickfeld und verschwanden wieder, und der kleine blutrote Fleck der Kriegsflagge, der vorher noch nicht dagewesen war. Er spürte sich lächeln, obgleich ihm eigentlich mehr nach Weinen zumute war, obwohl er verzweifelt wünschte, seine flehenden Worte über diese zwei Meilen schreien zu können. Herrick zeigte ebenfalls die Farben. Für ihn war der Schoner nicht einfach eine schwimmende Bombe; er war ein Schiff – sein Schiff. Oder vielleicht wollte er mit dieser simplen Geste Bolitho etwas erklären. Ihm zeigen, daß er verstand.
Noch ein Krach; und dieses Mal sah er den Pulverrauch von der Batterie aufsteigen, ehe der Wind ihn auseinanderriß. Fedrig sprang eine Gischtfontäne hoch, aber weit vom Schoner entfernt. Bolitho hielt ihn im Glas. Er krängte so, daß das Unterwasserschiff über dem spritzenden Gischt sichtbar wurde. Bei diesem Wind konnte Herrick für den letzten und gefährlichsten Teil seiner Fahrt das Ruder nicht festlaschen, das wußte er.
»Der Schuß saß zu hoch, Sir!« schrie Davy.
Diese Worte rissen Bolitho in die Wirklichkeit zurück, und er senkte das Glas. Der Kanonier auf der Festung hatte also auf die Undine gezielt, nicht auf den kleinen Schoner. Ehe Muljadis Leute gemerkt hatten, was los war, mußte Herrick bereits so dicht unter der Küste gewesen sein, daß er im toten Winkel l ag. Bolitho blickte wieder hin, als eine Doppelexplosion übers Wasser rollte. Er sah die Mündungsfeuer nur kurz aufblitzen, dann stiegen die Zwillingsgeyser in Linie mit dem Schoner, aber weit hinter ihm auf.
Hauptmann Bellairs vergaß seinen blasierten Gleichmut, packte seinen Sergeanten beim Arm und brüllte: »Bei Gott, Sar'nt Coaker, er will sie selbst auf Grund setzen!«
Es dauerte noch ein paar Sekunden, bis sich diese Erkenntnis über das ganze Deck der Fregatte verbreitet hatte. Aber dann, als die Worte von einem
Weitere Kostenlose Bücher