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Der Stundenzaehler

Der Stundenzaehler

Titel: Der Stundenzaehler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitch Albom
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einen Stein ans Ende des Schattens. Dabei sang er vor sich hin und dachte an Alli. Sie kannten sich seit früher Kindheit, doch nun war er größer, und sie war sanfter, und wenn sie den Blick hob, um ihn anzusehen, wurde etwas in ihm ganz schwach, und er fühlte sich, als würde er geschubst.
    Eine Fliege surrte vorüber und riss ihn aus seiner Träumerei.
    Â»Ahhh«, sagte er und verscheuchte sie.
    Als er wieder auf den Stock blickte, reichte der Schatten nicht mehr bis zum Stein.
    Dor wartete, aber der Schatten wurde immer kürzer, weil die Sonne am Himmel höher wanderte. Er beschloss, den Stock stehen zu lassen und morgen an diese Stelle zurückzukehren. Und wenn der Schatten morgen wieder den Stein erreichen würde, würde dieser Augenblick … derselbe sein wie heute .
    Ob es wohl jeden Tag diesen Augenblick gab, in dem Schatten, Stock und Stein verbunden waren?, sinnierte er. Diesen Augenblick wollte er nach Alli benennen und jeden Tag an diesem Punkt an sie denken.
    Dor war ziemlich stolz auf sich und schlug sich auf die Stirn.
    Und so begann der Mensch, die Zeit zu messen.

    Die Fliege kehrte zurück.
    Dor verscheuchte sie erneut. Doch dieses Mal verwandelte sie sich in einen langen schwarzen Streifen, der sich zu einer dunklen Höhle auswuchs.
    Heraus trat ein alter Mann mit einem weißen Umhang.
    Dor riss entsetzt die Augen auf. Er wollte schreien und fortlaufen, doch sein Körper rührte sich nicht.
    Der Alte hielt einen Stab aus goldenem Holz in der Hand. Er stieß Dors Sonnenstock an, worauf dieser sich aus der Erde erhob und zu einer langen Reihe von Wespenleibern wurde. Die Wespen bildeten einen neuen Streifen Dunkelheit, der sich öffnete wie ein aufgezogener Vorhang.
    Der Alte trat hindurch.
    Und war verschwunden.
    Dor rannte davon.
    Er erzählte niemandem von dieser Begegnung.
    Nicht einmal Alli.
    Erst ganz am Ende.

5
    Sarah findet Zeit in einer Schublade.
    Sie öffnet die Schublade auf der Suche nach ihrer schwarzen Jeans und findet stattdessen ganz hinten ihre erste Armbanduhr – eine lila Swatch mit einem Plastikarmband, die ihre Eltern ihr zum zwölften Geburtstag geschenkt hatten.
    Zwei Monate später ließen sie sich scheiden.
    Â»Sarah!«, schreit ihre Mutter von unten.
    Â» Was ?«, schreit Sarah zurück.
    Nach der Trennung blieb Sarah bei Lorraine, die nun für alles, was in ihrer beider Leben misslingt, ihrem Exmann Tom die Schuld gibt. Sarah nickt mitfühlend, wenn ihre Mutter sich darüber auslässt. Doch in gewisser Weise warten sie beide auf Toms Rückkehr; Lorraine will, dass er seine Fehler eingesteht, Sarah will einfach nur, dass er sie rettet. Doch beide bekommen nicht, was sie sich wünschen.
    Â»Was ist denn, Mom?«, schreit Sarah.
    Â»Brauchst du das Auto?«
    Â»Nee, brauch ich nicht.«
    Â» Was ?«
    Â»Ich brauch das Auto nicht!«
    Â»Wo gehst du hin?«
    Â»Nirgendwohin!«
    Sarah schaut auf die lila Uhr. Sie funktioniert noch: 18.59.
    Halb neun, halb neun!
    Sie schließt die Schublade und murmelt: »Konzentrier dich!«
    Wo ist nur die schwarze Jeans?
    Victor findet Zeit in einer Schublade.
    Er nimmt seinen Terminkalender heraus. Für den nächsten Tag sind eine Vorstandssitzung um 10 Uhr, eine Telefonkonferenz mit Analysten um 14 Uhr und um 20 Uhr ein Abendessen mit einem brasilianischen Firmenchef eingeplant, dessen Unternehmen Victor aufkauft. So wie er sich jetzt gerade fühlt, kann er froh sein, wenn er auch nur einen der Termine durchsteht.
    Er schluckt eine Pille.
    An der Tür klingelt es. Wer kommt denn um diese Uhrzeit zu Besuch? Er hört, wie Grace den Flur entlanggeht. Sein Blick fällt auf ihr Hochzeitsbild, das auf seinem Schreibtisch steht – so jung und gesund waren sie damals. Keine Tumore, keine Niereninsuffizienz.
    Â»Victor?«
    Jetzt steht Grace in der Tür, in Begleitung eines Mannes, der einen großen Elektrorollstuhl schiebt.
    Â»Was ist das?«, fragt Victor.
    Grace lächelt angestrengt. »Das haben wir doch gemeinsam entschieden, weißt du nicht mehr?«
    Â»Ich brauche so was noch nicht.«
    Â»Victor.«
    Â»Ich brauche das Ding nicht!«
    Grace schaut zur Decke hoch.
    Â»Lassen Sie es einfach hier«, sagt sie zu dem Lieferanten.
    Â»Im Flur«, verlangt Victor.
    Â»Im Flur«, wiederholt Grace.
    Sie bringt den Mann hinaus.
    Victor klappt den Kalender zu und reibt sich den Unterleib. Denkt an die Worte

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