Cato 11 - Die Garde
Kapitel 1
D ie kleine Kolonne der Planwagen hatte vor zehn Tagen die Grenze zur Provinz des zisalpinischen Gallien überquert und war jetzt wieder auf dem Rückweg nach Rom. In den weiter nördlich gelegenen Bergen war bereits der erste Schnee gefallen, und die gleißenden Gipfel hoben sich vom tiefblauen Himmel ab. Der Winter hatte es mit den Marschierenden bislang gut gemeint, denn trotz der Kälte hatte es seit dem Aufbruch von der kaiserlichen Münzanstalt in Narbonensis nicht geregnet. Im Gegenteil, der Boden war hart gefroren, und die schwer beladenen Wagen kamen gut voran.
Der für den Transport verantwortliche Prätorianertribun ritt ein Stück voraus, und als der Weg hügelan führte, lenkte er sein Pferd zur Seite und zügelte es. Die Straße erstreckte sich schnurgerade in die Ferne und folgte der wogenden Hügellandschaft. Der Tribun hatte freie Sicht auf die einige Meilen entfernte Stadt Picenum, wo er sich mit einer bewaffneten Eskorte der römischen Prätorianergarde treffen sollte – der Elitetruppe, welche die Aufgabe hatte, Kaiser Claudius und dessen Familie zu schützen. Die Centurie der Hilfssoldaten, welche die vier Wagen von Narbonensis hierhergeleitet hatten, würde zu ihren Quartieren in der Münzanstalt zurückmarschieren, und auf dem Rest des Weges zur Hauptstadt würden die Prätorianer unter dem Befehl des Tribuns den Konvoi schützen.
Tribun Balbus drehte sich im Sattel um und musterte den Konvoi, der sich den Hang hochmühte. Die Hilfssoldaten waren Germanen, rekrutiert vom Stamm der Cherusker, große, finster wirkende Krieger mit struppigen Bärten, die aus dem Wangenschutz ihrer Helme hervorschauten. Balbus hatte ihnen befohlen, in den Hügeln die Helme aufzubehalten, eine Vorsichtsmaßnahme für den Fall, dass sie in einen Hinterhalt von Wegelagerern geraten sollten. Er glaubte allerdings gar nicht so recht daran, dass die Banditen es wagen würden, einen Konvoi anzugreifen. Eigentlich ging es vor allem darum, die Haartracht der Hilfssoldaten zu verbergen, damit vorbeikommende Zivilisten nicht beunruhigt wurden. Obwohl er volles Vertrauen zu den germanischen Hilfstruppen hatte, welche die Prägeanstalt bewachten und deren Loyalität unmittelbar dem Kaiser galt, empfand Balbus den Männern gegenüber, die man bei den wilden Stämmen jenseits des Rheins rekrutiert hatte, eine ebensolche Verachtung wie die meisten Römer.
»Barbaren « , brummte er und schüttelte den Kopf. Er war die peinliche Sauberkeit der prätorianischen Kohorten gewohnt und hatte den Auftrag, die neueste Lieferung der kaiserlichen Münzprägeanstalt an Silbermünzen nach Gallien zu bringen, nur ungern übernommen. Nach so vielen Jahren bei der Garde hatte Balbus genaue Vorstellungen von der Erscheinung eines Soldaten, und hätte man ihm eine Kohorte germanischer Hilfssoldaten unterstellt, hätte er als Erstes Befehl gegeben, ihnen die scheußlichen Bärte abzuschneiden und sie zu rasieren, damit sie aussahen wie richtige Soldaten.
Außerdem fehlten ihm die Annehmlichkeiten Roms.
Tribun Balbus war ein typischer Vertreter der Offizierskaste. Er war den Prätorianern beigetreten, hatte Rom gedient und sich nach oben gearbeitet. Irgendwann hatte er sich zur Dreizehnten Legion an die Donau versetzen lassen und auch dort einige Jahre gedient, bis er sich schließlich zur Prätorianergarde hatte zurückversetzen lassen. Nach einigen ruhigen Dienstjahren war er zum Tribun ernannt worden, zum Befehlshaber einer von neun Kohorten der kaiserlichen Leibgarde. Noch ein paar Jahre, und Balbus würde mit einer hübschen Gratifikation aus dem Militärdienst ausscheiden und einen Verwaltungsposten in einer italienischen Stadt übernehmen. Er hatte sein Augenmerk bereits auf Pompeji gerichtet, wo sein jüngerer Bruder ein Badehaus und eine Athletenschule betrieb. Die Stadt lag an der Küste und gewährte einen schönen Blick auf die Bucht von Neapel. Sie hatte mehrere große Theater und eine attraktive Arena zu bieten, in deren Umkreis Tavernen billigen Wein ausschenkten. Und hin und wieder würde er sogar einer Rauferei mit Männern aus der Nachbarstadt Nuceria beiwohnen können, überlegte er sehnsüchtig.
Hinter den ersten fünf Unterabteilungen der Hilfssoldaten rollten die vier Wagen, schwere Fahrzeuge, jedes von zehn Maultieren gezogen. Neben jedem Wagenlenker saß ein Soldat auf dem Kutschbock, und hinter den beiden spannten sich die Ziegenlederplanen straff über die verschlossenen Truhen, die auf dem Wagenboden
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