Der Sturm aus dem Nichts
peitschten gegen Gesicht und Beine. Seine Mütze wurde, noch ehe er sie festhalten konnte, hoch in die Luft gewirbelt und schoß in einem gewaltigen Aufwind davon.
Die Kartentaschen fest umklammernd, kämpfte er sich durch zum Transportwagen, einem niedrigen, zwölfrädrigen Fahrzeug, dessen Kühlerhaube und Windschutzscheibe man mit Sandsäcken verbarrikadiert und die Fenster durch auf die Gitterstäbe aufgeschweißte Stahlplatten geschützt hatte.
Drinnen hockten auf einer Matratze zwei Sanitäter. Sie trugen einteilige Plastikanzüge, deren Kapuzen um das Gesicht herum eng anlagen, so daß nur Augen und Mund zu sehen waren. Um den Hals hingen ihnen dicke Staubbrillen. Lanyon kletterte auf den Beifahrersitz und wartete, bis der Fahrer die Türen verriegelt hatte. Hier im Wagen war es kalt und dunkel; das einzige Licht kam von dem Periskopspiegel, der über dem Armaturenbrett angebracht war. Türen und Kontrollinstrumente waren mit Watte abgedichtet, doch durch die Öffnungen für Bremsen und Kupplung kam ein steter Luftstrom herein, der Lanyon kalt um die Beine wehte.
Er spähte durch das Periskop. Direkt vor ihnen, genau im Wind, lag eine schmale Asphaltstraße, die zwischen hohen Gebäuden und der Rückseite der U-Boot-Bunker entlangführte. Eine Viertelmeile weiter vorn sah er etwas, das er für die Reste eines Begrenzungszaunes hielt, windschiefe Pfosten von denen abgerissener Stacheldraht herabhing. Dahinter war nur noch dicker, grauer Dunst, reflektierend und konturlos eine ungeheure Staubwolke, zwei-, dreihundert Fuß hoch, die direkt auf sie zukam und über sie hinweg weiterzog. Als er näher hinsah, bemerkte er, daß die Wolke Tausende verschiedenster Gegenstände mit sich trug: Papierfetzen und Abfall Dachziegel, Blätter und Glasscherben, alles empor- und mitgewirbelt von dieser riesigen Staubwoge.
Der Fahrer nahm seinen Platz ein, stellte das Funkgerät an und sprach mit der Verkehrskontrolle. Nachdem ihm die Fahrt freigegeben worden war, startete er und lenkte das Fahrzeug in den Wind hinein.
Unaufhaltsam schob sich der Transporter mit einer Geschwindigkeit von zehn Meilen pro Stunde voran, an den Bunkern vorbei, und bog dann auf die Zufahrtsstraße ein. Die Schwenkung bewirkte, daß sich das ganze Fahrzeug zur Seite neigte, doch die unheimliche Gewalt des Windes fing es und hielt es aufrecht. Da nun die Sandsäcke es nicht mehr schützten, verursachten die unzähligen harten Gegenstände, die von den schrägen Flanken des Transporters abprallten, unaufhörliches Knattern und Prasseln, jeder Ton laut wie ein auftreffendes Geschoß.
»Hört sich an wie ein Raumschiff, auf das ein Meteoritenschwarm 'runterkommt«, meinte Lanyon.
Der Fahrer, ein robuster, junger Mann aus Brooklyn, mit Namen Goldman, nickte. »Tja, jetzt sausen hier 'n paar wirklich dicke Brocken 'rum, Commander.«
Lanyon blickte durch das Sehrohr. Es besaß einen Drehwinkel von neunzig Grad und gewährte einen ausreichenden Ausblick auf die Straße. Eine Meile voraus lagen inmitten einer Gruppe einstöckiger Wachgebäude die Einfahrtstore des Einsatzhafens, die von der tiefhängenden Staubwolke fast verhüllt waren. Rechts standen große, zwei- und dreistöckige Häuserblocks, Benzindepots mit unterirdischen Tanks, die Fenster mit Sandsäcken verbarrikadiert, freistehende Serviceanlagen mit Segeltuch abgedeckt.
Genua lag südlich hinter ihnen, im Dunst verborgen. Sie kurvten aus dem Tor hinaus auf die Küstenstraße, die etwa eine halbe Meile weit landeinwärts führte – ein breites Betonband, das, tief eingebettet in die Leeseite der flachen Hügelkette, auf die schützenden Berge von Alassio zulief. Das Korn auf den angrenzenden Feldern lag seit langem am Boden, doch die Bauernhäuser aus dicken Feldsteinen, tief in die Mulden zwischen den Hügeln geschmiegt, standen noch, die Dächer mit schweren Steinplatten beschwert.
Sie kamen durch eine Reihe grau-düsterer Dörfer, wo die Fenster gegen den Staub mit Brettern vernagelt und die Hofeinfahrten mit Autowracks und Ackergerät verstopft waren. Auf dem Dorfplatz von Larghetto lag ein Bus auf der Seite, und kopflose Statuen wachten über ausgetrockneten Brunnen. Das Dach des Rathauses aus dem 14. Jahrhundert war fortgeflogen, doch die meisten Häuser, die sie sahen, waren trotz ihres auf den ersten Blick baufällig scheinenden Zustandes durchaus gefeit gegen den hurrikanähnlichen Wind. Sie waren vermutlich sogar widerstandsfähiger als die modernen, in Massen hergestellten
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