Der Tempel zu Jerusalem
Heere in das Land einfielen, in der Jahwes
Heiligtum geplündert und zerstört wurde. Eine Zukunft, in der das Gelobte Land
von schwachen Männern regiert wurde, die eine erbärmliche Politik betrieben und
nur danach trachteten, ihre niedrigsten Instinkte zu befriedigen. Eine Zukunft,
in der sich das Volk nicht unter Feigen- und Ölbäumen ausruhte und freie Zeit
hatte. Salomo erkannte, daß sein Werk seinen Tod nicht überleben würde. Nichts
würde ihn überleben.
Der König
legte Krone und Zepter und seinen goldbestickten Umhang ab. Er stieg den Pfad
hinunter, der zum Kidron-Tal führte, und schlug den Weg in Richtung Wüste ein.
Unterwegs brach er einen Ast ab, der ihm als Wanderstab diente. Die
Frühlingssonne brannte heiß auf seiner Stirn, und schon bald taten ihm die Füße
weh. Doch er ging weiter, immer weiter wie der demütigste aller Pilger.
Salomo hatte
beschlossen, in die Einsamkeit zu gehen, bis Gott ihm ein Zeichen schickte.
Schließlich wußte er seit kurzem, daß Erfolg und Mißerfolg genauso eitel waren
wie Freude und Schmerz. Für ihn gab es nur noch die Vergangenheit, die sich
bereits an einem zerstörten Horizont verflüchtigte. Für sein Volk würde es noch
Jahre der Fülle und des Friedens geben, die eine Spur in der Geschichte Israels
hinterlassen würden. Vielleicht waren die ja Grund zu einer neuen Friedensära,
die ferner war, als es sich der König vorstellen konnte.
Jerusalems
Höhen waren nicht mehr zu sehen, der Tempel war verschwunden. Salomo war zwar
fast am Ende seiner Kraft, doch er schritt weiter aus. Er hatte kein Ziel,
keinen Grund mehr zu kämpfen, er war nur verzweifelt auf der Suche nach einer
unerreichbaren Weisheit, die er so gern durchschaut, ja sogar errungen hätte.
Als sein Herz
nicht mehr mitmachte, blieb der alte König unter einer blühenden Akazie stehen.
Gott hatte nicht zu ihm gesprochen, doch in der klaren Frühlingsluft erkannte
er die Umrisse eines riesigen Gesichtes, das so groß war wie die Erde und so
hoch wie der Himmel, das Gesicht Meister Hirams, ernst und lächelnd und geprägt
von einer friedlichen Weisheit.
Der
Oberbaumeister vergab ihm seinen Verrat. Er wartete auf der anderen Seite des
Todes. Salomo lehnte sich an die Akazie und entschlummerte im Licht.
Bibliographie zum Roman
Salomo war ein Zeitgenosse von
Pharao Siamun, des ‹Sohns Armins› und des ‹Geliebten der Maat›. Siamun, der der
einundzwanzigsten Dynastie in Ägypten angehörte, regierte von 980 v. Chr. bis
960 v. Chr. Er hatte seine Hauptstadt in Tanis, im Delta. Als Besieger der
Philister erkannte er genau wie Salomo, daß es im Vorderen Orient keinen
dauerhaften Frieden geben würde, wenn es nicht zu einem echten Bündnis zwischen
Israel und Ägypten kam. Zu
dieser Zeit siehe Alberto R. Green, Salomo and Siamun: A Synchronism between
Early Dynastic Israel and the Twenty-First Dynasty of Egypt, Journal of
Biblical Literature, 97 (1978), S. 353-367.
Salomo war
ein echter Pharao. Er ließ sich beim Regieren Israels von der ägyptischen
Monarchie inspirieren. Siehe insbesondere M. Gavillet, L’Evocation du roi
dans la littérature royale égyptienne comparée a celle des Psaumes royaux et
spécialement: le rapport roi-Dieu dans ces deux littératures, Bulletin da la
Société d’Egyptologie de Genève 5 (1981), S. 3-14 und 6 (1982), S. 3 – 17;
A. Malamat, Das davidische und salomonische Königreich und seine Beziehungen
zu Ägypten und Syrien. Wien, Österreichische Akademie der Wissenschaften,
Phil.-hist. Klasse, Sitz. 407.
Zum Vergleich
zwischen Djosers Pyramide und Salomos Tempel, beides Monumente, die das
Verlangen verdeutlichen, die sakrale Einheit eines Landes zu schaffen, siehe J.
A. Wainwright, Zoser’s Pyramid and Solomo’s Tempel, The Expository Times, Edinburgh
91 (1979-1980), S. 137-140.
Hier, in
Ellen angegeben, die wichtigsten Maße von Salomos Tempel:
Die beiden
Säulen: 18 Ellen Höhe.
Kapitelle der
Säulen: 5 Ellen.
Breite des Tempels: 20 Ellen.
Länge der ulam (Vorhalle): zehn Ellen.
Länge der hêkal (Tempelhalle): 40 Ellen.
Länge des debîr (Allerheiligstes): 20 Ellen.
Zur Tochter Pharao Siamuns,
der Gemahlin Salomos, siehe M. Gorg, Pharaos Tochter in Jerusalem oder:
Adams Schuld und Evas Unschuld, Bamberger Universitäts-Zeitung, Bamberg 5
(1983), S. 4-7, und Die «Sünde» Salomos, Biblische Notizen, Bamberg,
Heft 16 (1981), S. 42-59. Der Verfasser zeigt auf, daß die
Pharaonentochter den Kult der ägyptischen
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