Der Teufel mit den blonden Haaren
aller Ruhe, was da eigentlich passiert ist. Ich kann’s ganz gut mit meinem Alten, und sicherlich können wir Ihnen helfen, wenn Sie wirklich in der Patsche stecken.“
Gaby hatte ihm nachts nur gesagt, sie hätte versucht, den Bekannten zu erreichen, der ihre Papiere habe. Dann hatte sie Toni, der sichtlich abenteuerlustig gewesen war, vor ihrer Zimmertür verabschiedet und ihm versprochen, morgen alles zu erklären.
Am Waldrand schwang sich Toni aus dem Sattel und half Gaby beim Absitzen, die sich fieberhaft eine neue Geschichte ausdachte, eine Geschichte, die zwar möglichst wirkungsvoll, auf keinen Fall aber unglaubhaft sein sollte.
„Mein Freund und ich...“ begann sie, aber Toni unterbrach sie sofort.
„Sie haben also einen Freund?“
Gaby senkte den Blick und schüttelte den Kopf.
„Nicht so, wie Sie vielleicht meinen. Ich habe ein paar Freunde, aber keinen Geliebten. Ich war mit ihm zum Tanzen weg, auf der Heimfahrt gingen uns die Zigaretten aus, wir fanden einen Automaten, mein Freund warf ein Zweimarkstück ein, aber es kamen keine Zigaretten heraus. Wir klopften an die Scheibe und die fiel plötzlich heraus. Und gerade in diesem Augenblick kam ein Polizist angelaufen, mein Freund verlor den Kopf, rannte zum Wagen und brauste los. Ich hatte im Schatten eines Hauseingangs gestanden, außerdem pfiff ein elend kalter Schneewind, und so übersah mich der Polizist. Ich. verdrückte mich, aber mein Mantel und meine Handtasche waren noch im Auto. Ich trottete dann frierend durch die Straßen, bis mich plötzlich Ihr Vater anfuhr. Anfangs wollte ich nicht mit, dann aber merkte ich, daß er ein schlechtes Gewissen hatte und nach Alkohol roch, und da dachte ich mir: Gaby, das ist die beste Chance, ein paar Tage von der Bildfläche zu verschwinden. So, jetzt wissen Sie alles.“ Sie schaute ihn mit ihren unschuldigen, blauen Augen voll an. „Und jetzt können Sie zu Ihrem Vater gehen und ihm alles erzählen. Ich will nicht, daß Sie meinetwegen Schwierigkeiten bekommen.“
Toni legte seinen Arm um Gabys Schultern.
„Quatsch! Ich bin froh, daß Sie mir die Wahrheit gesagt haben, und wir beide werden schön dichthalten.“ Er lächelte sie verliebt an. „Wir haben jetzt ein Geheimnis miteinander, und so was bindet, nicht wahr?“ Er schaute auf seine Armbanduhr. „Und jetzt müssen wir nach Hause, Mutti hat heute keine Hilfe im Haus, sie mag nicht, wenn wir zu spät frühstücken.“
Als er neben Gaby am Waldrand entlangritt, erklärte er: „Übrigens muß ich meinen Alten auch anschwindeln. Ich war heute nacht nämlich mit meinem Wagen unterwegs, wir haben auch einen gehoben, und Paps will dann, daß ich mit dem Taxi heimfahre, aber das muß ich aus meiner Tasche bezahlen, und deshalb bin ich doch mit meinem Wagen gefahren. Schließlich kann ich ja fahren, auch wenn ich einen kleinen in der Krone habe, aber das sieht mein Alter nicht ein, und deshalb werde ich ihm erzählen, ich sei mit dem Taxi heimgekommen... Gaby?“
„Ja?“
„Sie gefallen mir verdammt gut und — ich habe auch keine Freundin.“
Gaby schaute ihn prüfend an.
„Lügen Sie immer so schlecht?“
„Ich? Ich habe doch nicht gelogen, ich meine...“
„Sie sind doch nach Ihrem Vater heimgekommen.“
Toni nickte unsicher.
„Ja, aber...“
„Dann können Sie ihm nichts von einem Taxi erzählen. Er muß doch gesehen haben, daß Ihr Wagen nicht in der Garage stand.“
„Teufel ja“, sagte Toni überrascht. „Da hätte ich einen schönen Bock geschossen. Na — vielleicht fragt er gar nicht. Aber immerhin, herzlichen Dank.“
Sie ritten langsam zum Haus Sonneck zurück.
*
Als Toni und Gaby vom Stall durch den Schnee zum Hause stapften, kam ihnen Dr. Mercker entgegen.
„Guten Morgen, ihr Frühaufsteher.“ Und zu Gaby gewandt fuhr er fort: „Offenbar ist das Handgelenk besser geworden?“
„Oh, ja, viel besser.“ Sie zögerte eine Sekunde, dann fuhr sie eifrig fort: „Ihr Sohn hat mir gerade gesagt, daß Sie heute im Haus keine Hilfe haben. Darf ich vielleicht Ihrer Frau ein wenig helfen?“
Sie wartete die Antwort gar nicht ab, sondern lief zum Haus, ohne sich noch einmal umzuschauen.
„Sind die Pferde versorgt?“ fragte Dr. Mercker.
„Ja, alles in Ordnung, Paps.“
Dr. Mercker musterte seinen Sohn.
„Ich weiß nicht, ob Sabine sehr entzückt ist, wenn dieses Mädchen ihre Sachen anzieht.“
Toni machte eine wegwerfende Handbewegung.
„Ach was, Bine ist doch nicht albern.“
Um seine eigene
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