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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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es denn möglich, daß ferne Bevölkerungen die »ewigen Errungenschaften« einer solchen Zivilisation nicht nur annehmen, sondern in selbständiger Fassung weiterstrahlen. Solche Gebiete einer »Mondlichtzivilisation« sind Südchina und vor allem Japan, die erst seit dem Ausgang der Hanzeit (220) »sinaisiert« wurden, Java als Verbreiterin der brahmanischen Zivilisation und Karthago, das seine Formen von Babylon empfing.
    Alles das sind Formen eines extremen, von keiner kosmischen Macht mehr gehemmten und gebundenen Wachseins, rein geistig und rein extensiv und deshalb von einer solchen Gewalt der Ausbreitung, daß die letzten und flüchtigsten Ausstrahlungen sich fast über die ganze Erde verbreitet und übereinander gelegt haben. Fragmente zivilisierter chinesischer Formen finden sich
vielleicht
im skandinavischen Holzbau, babylonische Maße vielleicht in der Südsee, antike Münzen in Südafrika, ägyptische und indische Einflüsse
vielleicht
im Inkalande.
    Während aber diese Ausbreitung alle Grenzen überschreitet, vollzieht sich und zwar in großartigen Verhältnissen die Ausbildung der inneren Form in drei deutlich unterscheidbaren Stufen: Ablösung von der Kultur – Reinzucht der zivilisierten Form – Erstarrung. Diese Entwicklung hat für uns schon eingesetzt, und zwar sehe ich in der Krönung des gewaltigen Gebäudes die eigentliche Mission der Deutschen als der letzten Nation des Abendlandes. In diesem Stadium sind alle Fragen des Lebens, nämlich des apollinischen, magischen, faustischen Lebens zu Ende gedacht und in einen letzten Zustand des Wissens oder Nichtwissens gebracht. Um Ideen kämpft man nicht mehr. Die letzte, die Idee der Zivilisation selbst, ist im Umriß formuliert und ebenso sind Technik und Wirtschaft im
Problemsinne
fertig. Aber damit beginnt erst die mächtige Arbeit der Ausführung aller Forderungen und der Anwendung dieser Formen auf das gesamte Dasein der Erde. Erst wenn diese Arbeit getan und die Zivilisation nicht nur ihrer Gestalt, sondern auch ihrer Masse nach endgültig festgestellt ist, beginnt das Festwerden der Form. Stil ist in Kulturen der
Pulsschlag des Sicherfüllens
. Jetzt entsteht – wenn man das Wort gebrauchen will – der zivilisierte Stil als
Ausdruck des Fertigseins
. Er ist vor allem in Ägypten und China zu einer prachtvollen Vollkommenheit gelangt, die alle Äußerungen eines im Innern von nun an unveränderlichen Lebens vom Zeremoniell und Ausdruck der Gesichter an bis zu den äußerst feinen und durchgeistigten Formen einer Kunstübung erfüllt. Von Geschichte im Sinne des Zutreibens auf ein Formideal kann nicht mehr die Rede sein, aber es herrscht eine beständige leichte Bewegtheit der Oberfläche, welche der ein für allemal gegebenen Sprache immer wieder kleine Fragen und Lösungen artistischer Art ablockt. Darin besteht die gesamte uns bekannte »Geschichte« der chinesisch-japanischen Malerei und der indischen Architektur. Und ebenso wie diese Scheingeschichte sich von der wirklichen des gotischen Stils, so unterscheidet sich der Ritter der Kreuzzüge von dem chinesischen Mandarin
als der werdende von dem fertigen Stand
. Der eine ist Geschichte, der andere hat sie längst überwunden. Denn, wie schon festgestellt wurde, die Geschichte dieser Zivilisationen ist Schein und ebenso die großen Städte, deren Antlitz sich fortwährend verändert, ohne anders zu werden. Und ein Geist dieser Städte ist nicht vorhanden. Sie sind Land in steinerner Form.
    Was geht hier unter? Und was bleibt? Es ist ein bloßer Zufall, daß germanische Völker unter dem Druck der Hunnen die romanische Landschaft besetzten und damit die Entwicklung des »chinesischen« Endzustandes der Antike abbrachen. Den Seevölkern, die seit 1400 in einer bis ins einzelne gleichartigen Wanderung gegen die ägyptische Welt vordrangen, glückte es nur im kretischen Inselgebiet. Ihre mächtigen Züge an der libyschen und phönikischen Küste unter Begleitung von Wikingerflotten sind ebenso gescheitert wie die der Hunnen gegen China. So ist die Antike das einzige Beispiel einer im Augenblick ihrer vollen Reife abgebrochenen Zivilisation. Trotzdem haben die Germanen nur die Oberschicht der Formen zerstört und durch das Leben ihrer eigenen Vorkultur ersetzt. Die »ewige« Unterschicht erreichte man nicht. Sie bleibt, versteckt und durch eine neue Formensprache vollständig überzogen, im Untergrunde der ganzen folgenden Geschichte bestehen und besteht noch heute in Südfrankreich,

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