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Der Wald: Roman

Der Wald: Roman

Titel: Der Wald: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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im Nacken. Die Frau, mit dem Gesicht nach oben, war zerschlagen und zerkratzt. Ettie sah Bissspuren an Mund und Kinn, an Schultern und Brüsten. Die linke Brustwarze fehlte.
    »Ihn hab ich mit einem Beil geopfert«, sagte Merle, während er sich die Hände an den Hosenbeinen abwischte und zu lächeln versuchte. »Das Mädchen habe ich einfach erwürgt.«
    »Sieht aus, als wäre das nicht das Einzige, was du mit ihr gemacht hast.«
    »Sie war schön.«
    »Merle, du hast keinen Funken Verstand im Kopf.«
    Ihr Sohn zog sich den Schirm seiner verblichenen Dodgers-Kappe ins Gesicht, um seine Augen zu verbergen. »Es tut mir leid«, sagte er.
    »Was sollen wir jetzt mit dir machen?«
    Er zuckte die Achseln. Mit der Spitze seines Turnschuhs schoss er einen Tannenzapfen weg. »Du machst so was auch.«
    »Nur wenn Er zu mir spricht.«
    »Er hat zu mir gesprochen, Ettie. Ehrlich. Ich hätte das nie gemacht, aber Er hat mich darum gebeten.«
    »Bist du sicher, dass du nicht einfach nur geil warst?«
    »Nein, Ma’am. Er hat zu mir gesprochen.«
    »Gestern hab ich gesehen, wie du den beiden nachspioniert hast. Ich hatte schon befürchtet, dass du so eine Nummer abziehen würdest, aber ich Idiotin hab dir vertraut. Ich hätte es besser wissen müssen.« Sie warf Merle einen wütenden Blick zu. Der Schirm seiner Kappe hob sich kurz, als er sie ansah. Dann senkte er sich wieder. »Was hast du mir versprochen?«
    »Ich weiß«, murmelte er. »Ich hab doch schon gesagt, es tut mir leid.«
    »Du wolltest es nie wieder tun, ohne zu fragen.«
    »Ja, Ma’am.«
    »Damit hast du uns was eingebrockt, Merle.«
    Im Schatten seines Mützenschirms bemerkte sie ein dünnes Lächeln.
    »Wisch dir das Grinsen aus dem Gesicht.«
    » So schlimm ist es auch nicht, Ettie. Ich hab schon ihre Sachen durchsucht. Sie haben keine Feuererlaubnis.«
    »Na und?«
    Er schob die Kappe aus dem Gesicht, als hätte er nun keine Angst mehr, Etties Blick zu begegnen. »Wenn sie sich bei einem Ranger angemeldet hätten, hätten sie eine bekommen und auch gesagt, wo sie hinwollten. Aber sie haben keine. Also wissen die Ranger nicht, wo sie sind.«
    »Tja, wenigstens etwas.«
    »Selbst wenn jemand weiß, dass sie losgegangen sind, hat niemand eine Ahnung, wo er suchen soll. Wir begraben sie einfach und bringen ihr Zeug in die Höhle, dann ist alles in Ordnung.«
    Ettie seufzte, verschränkte die Arme vor ihrem Busen und betrachtete die Leichen. »Ich spreche vorsichtshalber einen Zauber aus, um jeden zu bannen, der nach ihnen sucht.«
    Merle sah sie zweifelnd an. »Vielleicht sollte ich das lieber machen.«
    »Ich kann immer noch Bannkreise um dich heraufbeschwören, Junge, vergiss das nicht. Ich hab uns sicher aus Fresno rausgebracht, dein Verdienst war das nicht. Wenn du genug Verstand gehabt hättest, um mir zu holen, was ich brauchte …«
    »Ich wurde gesehen.«
    »Es hätte nicht mal eine halbe Minute gedauert«, sagte sie. Merle stand still da und beobachtete, wie sie sich neben die Leiche des Mannes kniete. Sie knotete einen Lederbeutel von ihrem Gürtel los und öffnete ihn. »Ich hätte dich niemals in die Künste einweihen sollen.«
    »Sag so was nicht, Ettie.«
    »Das hat uns endlosen Ärger eingebracht.« Sie wickelte sich eine Haarsträhne des Mannes um den Finger und riss sie ihm aus der Kopfhaut. Sie drückte die Strähne in die klaffende Wunde in seinem Nacken. Dickflüssiges Blut bedeckte die Haare. Sie drehte sie zu einem Strang, machte einen Knoten in der Mitte und stopfte sie in ihren Beutel. Dann hob sie seine Hand. Die Fingernägel waren bis aufs Fleisch abgekaut. Sie zog ihr Messer aus der Scheide, drückte die Klinge auf die Nagelhaut des Zeigefingers, schnitt den ganzen Nagel heraus und warf ihn ebenfalls in das Säckchen. Anschließend ging sie zu der Frau hinüber.
    Ettie hockte sich neben die Leiche und riss auch ihr eine Strähne heraus. Sie drückte die Brust, um weiteres Blut herausquellen zu lassen, und tunkte die Haare hinein. Auch in diese Strähne knüpfte sie einen Knoten. Sie legte sie in den Beutel und hob eine Hand der Frau. Der pflaumenblaue Nagellack war teilweise abgeplatzt. Ein Nagel war abgebrochen, doch die anderen waren lang und ordentlich gefeilt. Sie schnitt vier Fingernägel ab, fing sie mit der Handfläche auf und schüttete sie zu den anderen Sachen.
    »Mehr muss man nicht tun«, sagte sie und sah zu Merle auf. »Es hätte dich keine halbe Minute gekostet, und ich hätte einen erstklassigen Zauber sprechen können.

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