Der Wolfsthron: Roman (German Edition)
aus dem Schlossbezirk in die Straßen, Blaublütige mischten sich unter Lumpensammler und Schmiede und Stalljungen. Zur Feier der neuen Königin gab es Essen und Trinken in Hülle und Fülle, und die gewitzten Bewohner von Ragmarket und Southbridge füllten erst ihre Bäuche, dann ihre Hosentaschen und schließlich ihre Tragetaschen. Wer wusste in Zeiten wie diesen schon, wann es wieder ein solches Essen geben würde?
Einige hätten natürlich auch die Krönung des Dämonenkönigs gefeiert, solange es nur genügend Bier oder Stingo oder Blauen Untergang gab.
Sarie Dobbs stand auf dem Dach des Wachhauses von Southbridge und musterte die Menge mit dem geübten Blick einer Taschendiebin. Eine Diebin hätte bei einer derart betrunkenen Menge einen großartigen Tag haben können. Aber bisher hatte es kaum Hinweise auf Ärger gegeben. Selbst die Straßenratten legten keinen Wert darauf, diejenigen anzugreifen, die die Krönung jener Lady feierten, die als Dornenrose bekannt war.
Cuffs – oder der Dämonenkönig, wie er sich jetzt nannte –, ihr Streetlord, hatte sie und die anderen gebeten, während der Feier Augen und Ohren offen zu halten, durch die übleren Schenken zu gehen und über alles Bericht zu erstatten, was die Sicherheit der Königin gefährden könnte. Er hatte sie damit beauftragt, weil der größte Teil der besten Blaujacken zusammen mit der Königin feierte.
Wer hätte das gedacht – ich und Flinn spielen Blaujacken, dachte Sarie und grinste Flinn zu, der sich auf einem Dach auf der anderen Seite des Flusses befand. Dann verschwand ihr Grinsen, als sie an den hohen Preis dachte, den sie dafür bezahlen musste – in einer Nacht wie dieser nüchtern zu bleiben.
Das Feuerwerk, dessen lebhafte Farben immer noch vor Saries Augen hüpften, war längst vorüber. Die Nacht neigte sich ihrem Ende entgegen, und selbst die hingebungsvollsten Säufer torkelten im grauen Licht der Morgendämmerung nach Hause.
Sarie gab Flinn ein Zeichen und rutschte am Abwasserrohr vom Dach hinunter auf den Boden. Sie würden noch einmal durch die Straßen von Ragmarket schweifen und dann wieder ihre Bleibe aufsuchen.
Auf ihrem Weg knurrten sie ein paar Lýtlings und Straßenkinder an und scheuchten sie nach Hause. In der Stiftsgasse in ihrem alten Revier sah Sarie ein Paar schöne Stiefel hinter einem Abfallkorb hervorlugen.
Abfallkörbe waren neu in Ragmarket, eine der klugen Ideen der Königin. Sie schien zu glauben, dass die Leute ihren Müll dort hineinwarfen, statt ihn einfach in der Gasse liegen zu lassen.
»He, du da«, sagte Sarie, »ist nicht gerade ’ne sichere Sache, sich hier mit so tollen Stiefeln schlafen zu legen.« Sie stieß einen der Stiefel mit dem Fuß an, doch die Art und Weise, auf die das Bein zur Seite rollte, verriet ihr, dass der Besitzer diese Stiefel nicht mehr brauchen würde.
»Flinn!«, zischte sie. »Komm her.«
Hinter dem Abfallkorb lagen zwei Leichen, eine Frau und ein Mann in der schönen glänzenden Kleidung der Blaublütigen. Die Magierstolen um ihren Hals waren blutbespritzt. Jemand hatte ihnen die Kehlen durchgeschnitten.
Flinn starrte auf sie hinunter und fluchte leise.
Sarie kniete sich neben die Leichen und tastete sie ab. Wer auch immer das getan hatte, hatte die Geldbörsen zurückgelassen. Und auch die Stiefel.
»Aber ihre Amulette sind weg«, stellte Flinn fest. Er hatte recht – sie fehlten, dabei gingen Fluchbringer ohne ihre Amulette noch nicht mal zum Abort.
Sarie und Flinn suchten die nähere Umgebung ab, fanden aber nichts.
Flinn kauerte sich neben die Leichen und musterte ihre Kleidung im zunehmenden Morgenlicht. »Sieh dir das mal an«, sagte er plötzlich und zeigte auf den Rumpf des Magiers.
Wo sich eine blutige senkrechte Linie mit einer Zickzacklinie darüber befand.
Flinn hockte sich auf die Fersen. »Nach was sieht das für dich aus?« Als Sarie nichts sagte, hielt er ihr den Talisman vors Gesicht, den Cats Kupferkopf hergestellt hatte.
Sarie sah erneut hin. Und jetzt erkannte sie es – das Gang-Abzeichen des Dämonenkönigs. Cuffs Alisters neuer Straßenname.
»Das ergibt keinen Sinn«, sagte sie nach einer langen Pause. »Er hat dieses Leben hinter sich gelassen.«
»Aber er hat eine Gang und einen Bau, und er hat gesagt, dass er irgendwas am Laufen hat«, murmelte Flinn. »Er hat gesagt, dass er uns nicht dabeihaben will, weil es zu riskant wäre.«
Sarie wedelte mit einer Hand in Richtung der beiden Toten. »Glaubst du, die hier hatten was mit
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