Der Wüstendoktor
Sitz, hatte einen Block aufgeschlagen und schrieb ruhig einen Abschiedsbrief an seine Eltern. Was auch kommen mochte – dieses Stück Papier würde überleben. Ein Mann mit blondem Schnurrbart drängte sich durch die Männerwand. Er blieb kurz vor Vandura stehen und verbeugte sich knapp.
»Lynns. Ich war Major in Ostafrika. Ich bin bereit, Ihnen zu helfen und Ordnung zu schaffen. Wenn wir schon alle sterben, dann würdig und männlich. Was ist zu tun? Haben Sie Vorschläge?«
»Ja. Ich kümmere mich erst um die Verwundeten im Cockpit. Vielleicht sind die Piloten nicht so schwer verletzt, daß sie nicht noch Anweisungen geben können oder selbst noch fliegen –«
»Anweisungen!« rief jemand aus der Menge. »Als ob man eine solche Maschine fliegen könnte mit der Gebrauchsanweisung in der linken Hand!«
»Noch ist nichts passiert!« sagte Vandura. »Wir haben eine große Höhe und die automatische Steuerung funktioniert. Durch Funk ist die ganze Welt unterrichtet, was in unserer Maschine passiert ist und in welcher Lage wir uns befinden. Man wird uns helfen.«
»Indem man uns wie einen Schmetterling im Netz fängt, was?« schrie ein dicker, schwitzender Mann. Er saß auf der Sessellehne und wedelte sich Luft zu mit einem riesigen Taschentuch, das schon fast ein Handtuch war. »Und wenn uns hundert andere Flugzeuge umkreisen – wir kommen nicht 'runter, ohne zu explodieren!«
»Hakim-Pascha …« Der Anführer der Guerillas kam aus dem Cockpit zurück. Er grüßte militärisch und hatte eine besorgte Miene. »Kümmern Sie sich um die Verwundeten, bitte.«
»Natürlich. Sie heißen Yussuf Rasul?«
»Ja.«
»Sie sind ein Rindvieh, Yussuf.«
»Ich weiß es, Hakim-Pascha. Nicht ich, Hasna hat geschossen. Er wird vor dem Tribunalgericht zur Rechenschaft gezogen werden.«
»Tribunalgericht! Glaubst du, daß wir noch lebend auf die Erde kommen?«
»Allah wird helfen, Hakim-Pascha.«
»Allah hat keine Verbindung zu Düsenflugzeugen, Yussuf. Für euch alle ist Allah jetzt tot!«
Er wollte zum Cockpit gehen, aber Katja sprang auf. Sofort schob sich einer der Rebellen zwischen sie und Vandura. »Zurück. Ich sofort schießen!«
Vandura drehte sich um. Er sah das Entsetzen in Katjas Augen, das Zucken ihrer Mundwinkel, das unterdrückte Aufschreien. Er lächelte ihr zu, und es war ein trauriges Lächeln.
»Keine Angst, Liebes«, sagte er leise. »Noch schweben wir unter dem Himmel. Der Treibstoff reicht noch für einige Stunden, nehme ich an. In diesen Stunden kann vieles geschehen. Wir können erst verzweifeln, wenn wir der Erde näher kommen –«
»Ihre Nerven möchte ich haben«, sagte Major a.D. Lynns. »Wir sollten uns alle vorher umbringen. Erschossen werden ist schöner als abstürzen und verbrennen.«
»Beruhigen Sie die Frauen, Major.« Vandura drängte Yussuf zur Seite und ging zur Tür nach vorn. »Sagen Sie ihnen, daß wir eine Chance haben, weiterzuleben.«
»Ob ich so glatt lügen kann, wie Sie das aussprechen?«
»Versuchen Sie es.« Vandura stieß die Tür zum Cockpit auf. »Ich versuche ja auch, das zu glauben –«
Im Cockpit war die Situation trostlos, das sah Vandura sofort. Der Chefpilot und der Co-Pilot lagen in der verhältnismäßig engen Kanzel auf dem Boden hinter ihren Sitzen. Ein Guerilla gab ihnen gerade aus einer Flasche Mineralwasser zu trinken. Es mußte Hasna, der Schütze sein, denn er zog den Kopf angstvoll zwischen die Schultern, als der Hakim-Pascha herankam und ihm wortlos einen Tritt gab. Der Funker saß an seinem Gerät und hatte Dauerverbindung mit Zürich. Er war blaß wie ein Bettlaken und starrte Vandura angstvoll an.
»Ich bin Fluggast«, sagte Vandura, um ihn zu beruhigen. »Und Arzt. Ich gehöre nicht zu den Rebellen –«
Der Funker, ein Schweizer aus Luzern, nickte mehrmals. »Zürich ist ebenso ratlos wie alle anderen Flugplätze. Wir haben an Bord zwar eine Blindflugeinrichtung, aber keine automatische Steuerungsanlage, die die Maschine ohne Piloten zur Landung bringen könnte. Wir können nur von Hand manövrieren, und natürlich auf dem Radarleitstrahl. Aber immer mit Handkontrolle. Was nutzt uns das.« Er nickte zu den beiden Verwundeten. Der Co-Pilot war besinnungslos, der Chefpilot starrte Vandura aus trüben Augen an. Er schluckte krampfhaft das Mineralwasser, das ihm Hasna an den Mund setzte.
Vandura kniete sich neben ihn und untersuchte flüchtig die Schußwunden. Es waren drei Einschüsse – zwei in die Schulter, einer knapp unter dem Herzen.
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