DGB 13 - Nemesis
Kritiker der verschiedenen Medien standen Schlange, um
dem Regisseur und dem Darsteller des leidenden Königs zu gratulieren, doch
jeder behielt dabei gleichzeitig die Umgebung im Auge, um einen Blick auf den
wahren Star des Abends zu erhaschen auf die Königin dieser Nacht, die neue
Jocasta. Unter dieser Ägis lobten die eingeladenen Adligen mal die Opernaufführung,
dann wieder unterhielten sie sich über Aktuelles, was nichts anderes bedeutete
als die Rebellion und damit den Druck, der auf den Jupiter und seine
Schiffswerften ausgeübt wurde. Die Wunden, die der Zwischenfall bei Thule
geschlagen hatte, waren noch nicht verheilt, allen Beteuerungen zum Trotz, die
der Rat von Terra ausgesprochen hatte, und auch allen heimlichen
Säuberungsaktionen und Schuldzuweisungen zum Trotz. Dennoch kursierten immer
noch Anschuldigungen, von denen manche dem abscheulichen und schlicht
verbrecherischen Verhalten des Kriegsmeisters galten, während andere mehr
hinter vorgehaltener Hand die Frage aufbrachten, ob der Imperator etwas
Derartiges womöglich absichtlich hatte geschehen lassen, damit er den Jupiter
fester in den Griff bekam.
Jede Schmiede war jetzt damit
beschäftigt, eine militärische Maschine zu bauen, deren Sinn es war, dem
Vorrücken der Verräter ein Ende zu setzen, doch viele fanden, dass der
Imperator dadurch den Jupiter ausbluten ließ. Wer dies infrage stellte, der hatte
auch in anderer Hinsicht seine Zweifel und fragte sich und andere, wie es
eigentlich möglich gewesen sein konnte, dass verschwörerische Elemente des
Mechanicums und der Astartes ein Kriegsschiff von den Dimensionen der Tosender
Abgrund hatten bauen können, ohne dass irgendein Mensch auf dieses doppelte
Spiel aufmerksam geworden war.
Sollte es etwa so sein, dass
sich auf dem Jupiter Sympathisanten der Rebellen fanden? So etwas war auch
schon beim Mechanicum des Mars vorgekommen und, wie manche behaupteten, sogar
in den Reihen der Kriegslords der angeblich vereinten Nationen-staaten auf der
Erde.
Reis bedeutender Status als
Meister der kapekanischen Sekte der Legio Cybernetica war allen bekannt, und
seinem Rang als Mech-Lord entsprechend war er auch in edle Gewänder gekleidet.
Zwei komplette Kohorten aus Gefechtsmechanoiden unterstanden seinem
persönlichen Kommando, die während des Großen Kreuz-zugs gemeinsam mit den Luna
Wolves und dem Kriegsmeister zahlreiche bedeutende Schlachten bestritten
hatten.
So wie viele Angehörige der
Cybernetica machte auch Rei einen großen Bogen um die auffälligen
Cyborg-Aufrüstungen, zu denen seine Kollegen des Mechanicums neigten.
Stattdessen bevorzugte er unauffällige Verbesserungen, die sein
Erscheinungsbild eines ganz normalen Menschen nicht verunstalteten oder zum
Nachteil veränderten. Wer Rei allerdings kannte, der wusste auch, dass alles
Menschliche, was er ausstrahlte, nur flüchtig war.
Hinter ihm befand sich seine
Leibwache, die sich aus drei Manipeln modifizierter Roboter der Grasader-Klasse
zusammen-setzte. Diese insektenartig anmutenden Maschinen, die wie Kunstwerke
bemalt waren, stellten eine entschärfte Version des üblichen Gefechtsmodells
dar. Bewaffnet waren sie mit einem diskret untergebrachten Servo-Rapier und eine
Laserpistole. Ein vierter Roboter — eine Spezialanfertigung in poliertem Chrom,
deren Körper die Formen einer Frau aufwies — ging neben ihm her und diente als
sein Adjutant.
Niemand stellte irgendjemandes
Loyalität infrage, wenn sich Rei in der Nähe aufhielt, denn seine maschinellen
Begleiter konnten selbst im größten Lärm noch jedes getuschelte oder
geflüsterte Wort wahrnehmen, und jeder hätte es bitter bereut, laut Zweifel an Reis
Treue gegenüber dem Imperator zu äußern.
Der Mech-Lord nahm ein Glas mittelmäßigen
veganischen Brandy und suchte sich ein paar kleine Pralinen aus, die von
Dienern auf prunkvoll verzierten Tabletts gereicht wurden. Bevor er irgendetwas
davon zu sich nahm, ließ er zunächst seinen mechanoiden Adjutanten daran
schnuppern, der mit den besten Sensoren versehen war, die jede noch so winzige
Spur von Gift aufspüren konnten. Bei jedem Teil schüttelte der Roboter den
Kopf, und so konnte Rei bedenkenlos alles essen und trinken, was ihm angeboten
wurde. Doch nichts davon konnte den wahren Hunger stillen, den er in seinem
Inneren verspürte.
Rei unterhielt sich kurz mit
dem Leiter des Opernhauses, aber es war nur ein belangloses, oberflächliches
Gespräch. Keiner von beiden wollte wirklich Zeit mit dem anderen verbringen
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