Kriminalpolka - Kommissar Zufall ermittelt
Sau tot, Has tot, Musikant tot!
Der Musikant hing krumm über dem Notenständer und machte einen ziemlich leblosen Eindruck, nachdem er live den plötzlichen Bühnentod gestorben war. Mag sein, dass es Wunschtraum vieler unsterblicher Schauspieler und anderer Bühnenhelden ist, auf offener Bühne zusammenzubrechen und ›coram publico‹ das siechende Leben auszuhauchen, den letzten Odem in den Souffleurkasten zu blasen und den schwindenden Blick noch einmal ins Rampenlicht zu tauchen, doch wirklich wollen will das keiner. Schon gar nicht ein Musikant in der zweiten Reihe des bekannten Orchesters Pepe Plasmas Blasmusik .
Der Erfolg dieser Band ließ sich an zahlreichen Preisen messen, die sie im In- und Ausland erspielt hatte. So hatte sie unter anderem den mit einem goldenen Alphorn dotierten First Official Award of Bohemian Rhapsody gewonnen. Überhaupt war böhmische Blasmusik derzeit ›in‹, vielleicht sogar ›inner‹ denn je. Polkabeat boomte, böhmische Besetzungen schossen wie Pilze im nassen Herbst aus dem Boden, junge Musikanten hatten mindestens so viel Freude an der ›Vogelwiese‹ und am ›Böhmischen Traum‹ wie an Rap und Hiphop. So war es nicht verwunderlich, dass Pepe Plasma sich mit einer kleinen Besetzung sogar für den Vorentscheid zum Eurovision Song Contest qualifiziert hatte.
Die erfolgreiche Band hatte ein Galakonzert in Friedrichshafen am Bodensee im Graf-Zeppelin-Haus gegeben, wo der Tod während der Polka ›Schorle voraus‹ die Bühne betrat.
Der erste Posaunist Langfried Schieber, solistisch blasend neben seinen Registerkollegen stehend, hörte auf zu spielen, sank auf seinen Stuhl, kippte nach vorn und blieb mit dem Oberkörper auf dem Notenpult liegen, das durch ein physikalisches Wunder sein Gleichgewicht hielt.
Das Blasorchester brachte die Polka noch schwungvoll zu Ende, während sich im Publikum unruhig die Köpfe reckten, um die seltsame Haltung des Musikanten, der in der zweiten Reihe erhöht saß, zu kommentieren. Einzelnen, überwiegend weiblichen Kehlchen entfleuchten ob der schaurig anmutenden Showeinlage schon unruhige Schreie.
Als nach Ende der Polka in klarem F-Dur die Band sich stehend im Applaus sonnte und sich der dahingegangene Posaunist immer noch nicht vom Notenpult erhob, verstärkte sich auch im Ensemble der Eindruck, dass mit dem Kollegen etwas nicht stimmte. Der Registernebensitzer des Leblosen packte ihn unsanft an der Schulter, als wollte er ihn wachrütteln, doch dann fuhr seine Hand zurück, und seine vor Entsetzen geweiteten und vom nächtlichen Gelage des Vortages noch geröteten Augen registrierten, dass der ausgeblasene Posaunist keinesfalls nur beim Nachschlagziehen eingenickt war. Der Mann war mausetot!
Ich saß als großer Freund zeitgenössischer Blasmusik im Publikum in der dritten Reihe und sah meine Zeit gekommen.
Gestatten Sie also, dass ich mich nun doch noch vorstelle: Ich bin Kommissar, na ja, eigentlich nur Privatdetektiv, aber ›Kommissar‹ macht sich in meinem Metier besser. Ich verwende den Titel ›Kommissar‹ allerdings nicht als Berufsbezeichnung, sondern quasi als Pseudonym, und das ist durchaus gestattet. Ich könnte mich nun ja in aller Ausführlichkeit beschreiben, doch was interessieren schon Größe, Gewicht und Toupetfarbe? Nehmen Sie eine Kreuzung aus Heinz Becker, Pierre Brice und John-Boy-Walton – dem jugendlichen Mr. Bean der 70-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts – und fertig bin ich!
Mein richtiger Name ist Tsuval. Rainer Tsuval. Für den Nachnamen kann ich nichts. Altes Erbstück aus Belgien. Meinen Vornamen allerdings hat meine Mutter ausgesucht, und ihr außergewöhnlicher – um nicht zu sagen ausgefallener – Geschmack in solchen Dingen wollte es, dass die Konstellation aus Vor- und Zunamen geradezu meinen beruflichen Werdegang vorgab, dieser quasi schon vor meiner Geburt feststand.
Nun ja, meine Uraufführung fand am 25. Oktober 1962 im Kreißsaal des Zentralhospitals von St. Agath-Christi am Stein statt, und ich wurde danach auf den germanischen Namen Rainer getauft.
Als ich Jahre später – ich erinnere mich genau – in der Fernsehsendung ›Aktenzeichen XY-ungelöst‹ mit Ganoven-Ede Zimmermann erstmals vom genialen ›Kommissar Zufall‹ hörte, der schon wieder eine ganze Bande Verbrecher zur Strecke gebracht hatte, stand mein Ziel fest, ich wollte entweder Polizeimusiker werden oder Bullenreiter, sprich, zur berittenen Polizei.
Flöte spielte ich seit meinem siebten
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