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Die Bibel

Die Bibel

Titel: Die Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
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«Täter-Profil» nicht auf Jesus passt, und denkt: Offenbar will mich die jüdische Behörde benutzen, um einen missliebigen Galiläer ans Kreuz zu bringen. Andererseits kann er sich nicht einfach über die jüdischen Behörden hinwegsetzen. Er ist verpflichtet, alles sorgfältig zu prüfen, und braucht dazu einen wirklichen Beweis, dass Jesus tatsächlich ein politischer Umstürzler ist. Dieser Beweis kann nicht erbracht werden.
    Pilatus ist überzeugt, dass an dem Vorwurf nichts dran ist. Er folgert auch ganz richtig: Wenn dieser Galiläer ein Aufwiegler ist, warum ist er dann noch nie mit dem galiläischen König Herodes Antipas in Konflikt gekommen? Pilatus tendiert zum Freispruch, braucht aber eine überzeugende Begründung und kommt auf die Idee, Jesus erst einmal vor Herodes zu bringen. Wenn dieser, wie Pilatus es erwartet, nichts Negatives über Jesus vorzubringen hat, kann er Jesus freisprechen.
    Herodes sieht sich Jesus an, spricht mit ihm, befragt ihn und amüsiert sich. Nach den in seiner kleinen Welt gebildeten Maßstäben eines Klein-Herrschers vermag Herodes in Jesus nur eine närrische Figur zu erkennen, von der keinerlei Gefahr ausgehtund die dem allgemeinen Gespött preisgegeben werden kann. Herodes lässt Jesus ein verschlissenes Prunkgewand umhängen und schickt ihn unter dem Gejohle seiner Höflinge wieder zu Pilatus.
    Jetzt weiß Pilatus: Dieser Jesus ist freizusprechen. Aber Pilatus ist viel zu sehr Politiker und Karrierist, als dass er einfach das Gebotene täte, ohne einen Vorteil daraus zu ziehen.
Irgendein
Nutzen muss sich damit verbinden lassen, und Pilatus weiß auch schon, welcher. Der Nutzen hört auf den Namen Barrabas.
    Barrabas ist im Gegensatz zu Jesus ein echter Aufwiegler und deshalb vor kurzem festgenommen und verurteilt worden. Nun gibt es aber in Israel den Brauch, am Passahfest einen Gefangenen freizulassen. Für diesen Gefangenen muss es ein Amnestieersuchen geben, und das liegt vor – für Barrabas, jenen Terroristen, den Pilatus lieber am Kreuz gesehen hätte. Nicht weil Pilatus ein unstillbarer Drang nach Gerechtigkeit umtreiben würde, sondern weil er in Rom nicht negativ auffallen möchte.
    Die persönlichen Schicksale von Jesus und Barrabas interessieren ihn nicht. Umso mehr sein Ansehen beim Kaiser, und das hängt davon ab, wie gut er seinen Job verrichtet. Der besteht darin, als mittleres Rad im Getriebe der römischen Herrschaftsmaschinerie möglichst störungsfrei und reibungslos zu funktionieren. Dafür hat er in Palästina für Ruhe und Ordnung zu sorgen und den steten Fluss der Steuergelder nach Rom zu garantieren.
    Deshalb muss er vor allem die jüdische Widerspenstigkeit unter Kontrolle haben. Daher kreuzigt er lieber einen echten Aufrührer als einen harmlosen Wanderprediger, und das bringt ihn auf die Idee eines Tauschhandels: Jesus wird freigelassen, Barrabas gekreuzigt.
    Zu Pilatus’ Überaschung beharren aber die Juden auf Jesu Kreuzigung. Nun muss er Barrabas freilassen, und damit hat sich der überschlaue Taktiker Pilatus selbst ausgetrickst. Indem er den nach seiner Überzeugung unschuldigen Jesus für den schuldigen Barrabas anbietet, stellt er beide auf die gleiche Stufe und machtdamit, offenbar ohne es zu merken, auch Jesus zum Schuldigen – ein Unschuldiger bedarf keiner Amnestie, sondern ist einfach freizusprechen.
    Nun aber kann Pilatus nicht mehr zurück. Jetzt muss er Jesus verurteilen. Die Würfel sind gefallen. Am Freitag, vermutlich dem 7.   April des Jahres 30   n.   Chr., vielleicht auch 31 oder 33   n.   Chr., wird Jesus auf dem Hügel Golgatha gekreuzigt. Sein Todeskampf dauert sechs Stunden.

Golgatha
    Rom war eine normale militärische Supermacht und hatte daher, wie jede derartige Macht, zwei Gesichter: vorne das schöne, edle, kunstsinnig-liberale eines Kaisers Augustus oder Tiberius, hinten die Fratze des Gewaltherrschers, der über Leichen geht und sich um die Qualen seiner Opfer nicht kümmert.
    Man vergisst das oft, wenn man staunend und bewundernd vor den Bau- und Kunstwerken der römischen Antike oder anderer untergegangener Kulturen steht. Man denkt dann nur an die Kaiser als Förderer der Maler, Bildhauer, Architekten, Dichter und Denker, Erbauer der Tempel und Theater, Verbreiter der Zivilisation und Wegbereiter der Kultur.
    Man vergisst, dass diese Kulturen sich nur entwickeln konnten, weil deren Herrscher das Töten als Geschäft betrieben. Ihre Macht, ihr Glanz und ihre Größe wurzelte im organisierten Raubmord

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