Die Biene Maja
Aber seid getrost, die Feinde werden im Dämmerlicht nicht sogleich erkennen, wie wohl wir gerüstet sind und arglos eindringen ...«
Sie brach ihre Worte ab, denn im Tor erschien der Kopf des ersten Räubers. Tastend und vorsichtig spielten die Fühler, die Zangen öffneten und schlossen sich, daß einem das Blut erstarren konnte, und langsam schob der ungeheure getigerte Leib mit seinen starken Flügeln sich nach. Der Panzer funkelte im Licht, das von außen eindrang.
Es ging wie ein Zittern durch die Reihen der Bienen, aber kein Laut war vernehmbar.
Die Hornisse trat leise zurück, und man hörte ihre Meldung:
»Der Stock schläft! Aber der Eingang ist halb vermauert und es sind keine Wächter da. Ich weiß nicht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist.«
»Ein gutes!« klang es von außen, »vorwärts!«
Da sprangen zwei Riesen nebeneinander hinein, lautlos drängte es flimmernd, getigert und gepanzert nach. Es war fürchterlich anzuschauen. Nun waren schon acht der Räuber im Stock und immer noch erklang kein Befehl der Königin. War sie vor Entsetzen erstarrt, daß ihre Stimme versagte? Sahen denn die Räuber immer noch nicht, daß zur Rechten und zur Linken dicht gedrängt und todesbereit im Schatten die glitzernden Reihen der Soldaten standen ...
Da klang es laut aus der Höhe:
»Im Namen eines ewigen Rechts und im Namen der Königin, verteidigt das Reich!«
Da erhob sich ein Brausen und füllte die Luft, wie noch kein Kriegsgeschrei die Stadt erschüttert hatte. Es erschien, als müsse der ganze Stock durch dies tobende Brummen zersprengt werden, und wo eben noch klar gesondert die einzelnen Hornissen kenntlich gewesen waren, wälzten sich nun in dichten, dunklen Knäueln brausende Haufen. Ein junger Offizier der Bienen hatte kaum das Ende des Kommandos abgewartet. Er wollte der erste sein, der angriff, und er war der erste, der starb. Er hatte schon eine Weile bebend vor Kampfeslust, zum Sprung bereit dagestanden, und als über ihm das erste Wort des Befehls laut wurde, stürmte er vor, gerade dem vordersten Räuber in die Fänge, und sein feiner, unendlich spitzer Stachel fand den Weg zwischen dem Kopf und dem Brustring in den Hals seines Gegners. Er sah noch, wie die Hornisse sich mit einem wütenden Aufschrei zusammenkrümmte, so daß sie für einen Augenblick wie eine gelbschwarze, glitzernde Kugel erschien, dann drang der furchtbare Stachel des Räubers dem jungen Offizier durch die Brustringe ins Herz, und sterbend sah er sich und den tödlich getroffenen Feind in einer Wolke der Seinen versinken. Sein kühner Soldatentod hatte allen die wilde Seligkeit einer hohen Todesbereitschaft ins Herz gesenkt, und der Ansturm der Bienen wurde zu einer furchtbaren Not für die Eindringlinge.
Aber die Hornissen sind ein altes, kampfgewohntes Räubervolk, und Morden und Rauben ist ihnen längst zum grausigen Handwerk geworden. Wenn auch der erste Anprall der Bienen sie verwirrt und versprengt hatte, so bedeutete er nicht so viel an Schaden, als es anfangs erscheinen mochte. Denn die Stachel der Bienen drangen nicht durch die Panzer der Riesen, und die Kraft und Größe der Hornissen gab ihnen eine Überlegenheit, derer sie sich wohl bewußt waren. Ihre durchdringenden, surrenden Kampfrufe, vor denen alle Wesen in Entsetzen geraten, die sie hören, überhallten das Kriegsgeschrei der Bienen. Fürchten doch sogar die Menschen diesen Warnruf der Hornissen und weichen ihnen lieber aus, ehe sie ungewappnet den Kampf mit ihnen wagen.
Die überfallenen Hornissen, die bereits in den Stock eingedrungen waren, erkannten rasch, daß sie vor allen Dingen vordringen mußten, um den Ihren draußen nicht selbst den Eingang zu sperren. Und so wälzten sich die kämpfenden Knäuel voran in die dunklen Straßen und Gänge. Wie richtig war der Befehl der Königin gewesen, denn kaum war ein wenig Platz am Eingang entstanden, da stürzten die hinteren Reihen der Soldaten vor, um ihn zu verteidigen. Es war eine altbewährte und furchtbare Kampfweise, die befolgt wurde. Kaum hatte eine Hornisse sich am Eingang im Kampfe ermüdet, so taten die Bienen, als seien sie selbst erschöpft, und ließen den Räuber eindringen. Aber stets gelang es nur dieser einen Hornisse in die Stadt zu gelangen, denn kaum drängte die zweite nach, so stürzte sich auch schon ein dichter Schwarm neuer Soldaten auf das scheinbar unverteidigte Tor. Und der eingedrungene Gegner, der vom Kampf ermüdet war, sah sich plötzlich den glitzernden
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