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Die Blut-Prinzessin

Die Blut-Prinzessin

Titel: Die Blut-Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Todes zu sehen.
    Der Mund stand noch immer offen – wer hätte ihn auch schließen sollen? – und man konnte meinen, dass sie jeden Augenblick etwas sagen wollte, sich aber nicht traute.
    An Stille kann man sich gewöhnen. Ich hatte im Laufe der Zeit zahlreiche Spielarten der Stille erlebt, aber diese hier ging mir wirklich auf den Geist. Das Wort totenstill traf tatsächlich zu. Es war kein Laut zu hören, auch von draußen nicht, denn dort breitete sich ein kleiner Friedhof aus, der zu den vergessenen gehörte. Zumindest nannte ich diese Plätze so, denn hier wurden diejenigen Toten begraben, um die sich niemand mehr kümmerte. Die auch keine Lobby hatten, die irgendwie namenlos waren, einfach vom Leben vergessen.
    Manchmal fand man sie auf Müllhalden, einfach entsorgt. Aber auch in Wäldern, Straßengräben und Flüssen, aus denen sie herausgefischt wurden. Sie bereicherten die Polizeistatistiken, mehr nicht. Es gab auch niemand, der sie vermisste. Weder in ihren Heimatländern noch in der Fremde. Aber sie mussten einen Platz haben, an dem sie begraben wurden, und da gab es dann die verschiedenen Orte in der Stadt, so wie dieser kleine Flecken Erde hier, auf dem nur hin und wieder Grabsteine standen, die noch zu den Gräbern gehörten, die man früher einmal angelegt hatte. Der größte Teil des Geländes war eingeebnet worden. Gräber konnten schnell geschaufelt werden, und es gab auch genug Plätze, wo man einfach nur die Asche der Verbrannten begrub.
    So war das Leben eben, denn die im Dunkeln sieht man nicht, hatte schon Bertolt Brecht erkannt.
    Zur Warterei kam die Kälte. Es war nicht bitterkalt, sondern mehr feucht. Die Kälte zog von unten her durch meine Sohlen in die Füße. Sie erwischte meine Beine, sie zog auch dort höher und erreichte die Hüften.
    Ich konnte nichts dagegen tun, denn eine Heizung gab es nicht in der Leichenhalle.
    Da gab es nur ein Gegenmittel. Aufstehen, sich bewegen und den Sarg umkreisen – wie eine Katze den heißen Brei.
    Wer auf die Kerzen bestanden hatte, wusste ich nicht. Ihr Geruch passte mir nicht, und das Licht war mir zu düster. Deshalb ging ich zur Tür, wo sich auch der Lichtschalter befand.
    Ich drückte einen kleinen Hebel nach unten und wartete darauf, dass es heller wurde.
    Unter der Decke waren drei Glühbirnen nebeneinander in die entsprechenden Fassungen geschraubt, aber nur eine von ihnen funktionierte. Die restlichen waren außer Betrieb.
    Jetzt wusste ich auch, weshalb die Kerzen brannten, denn von oben her fiel so gut wie keine Helligkeit nach unten. Das war kein Schein, das war ein Scheinchen.
    Ich löschte das Licht trotzdem nicht. Wer konnte wissen, wozu es noch gut war. Schließlich wusste ich nicht, wie lange ich hier noch hocken musste. Da konnten die Kerzen schon runterbrennen. Sie hatten bereits jetzt nur noch die Hälfte ihrer ursprünglichen Länge.
    Ich wollte wieder meinen Platz einnehmen, als mich etwas störte. Es war nicht die Leiche. Es war ein Geräusch, das von draußen meine Ohren erreichte, und es war zugleich ein Laut, der nicht zum Friedhof passte.
    Ich blieb stocksteif stehen, lauschte, um herauszufinden, was da los war.
    Singen? Jaulen? Heulen...?
    Jedenfalls konnte man dieses Geräusch als einen unheimlichen Gesang bezeichnen, der über den kleinen Friedhof trieb und auch durch die Mauern der Leichenhalle drang.
    Das Geräusch bildete ich mir nicht ein. Je länger ich lauschte, umso mehr setzte sich bei mir die Überzeugung durch, dass es nicht von einem Tier stammte. Jedenfalls wusste ich keines, das solche Laute abgab. So machte sich nicht mal ein Werwolf bemerkbar.
    Dann hörte ich noch etwas.
    Bum!, machte es.
    Ich runzelte die Stirn.
    Bum!
    Es gab für mich nur eine Erklärung. Da schlug jemand zu dem Geräusch hin und wieder die Trommel, als wollte er den Takt vorgeben.
    Sekundenlang bewegte ich mich nicht. Hörte nur zu und prägte mir das Geräusch ein.
    Es war klar, dass es von draußen kam und auch nicht weit von der kleinen Leichenhalle entfernt sein musste.
    Ich streckte den Kopf ins Freie, der Gesang wurde deutlicher, aber es war nicht zu sehen, wo seine Quelle lag. Ich sah so gut wie nichts. Die Halle hatte zwar eine Außenleuchte, aber deren Glas hatte irgendein Spaßvogel zertrümmert.
    Noch ließ ich die Tür spaltbreit offen. Ich roch den typischen Friedhofsgeruch – eine Mischung aus Nässe und altem Laub. Das Winterwetter war wieder typisch für London. Nieselregen, leichter Wind und ein dicker Wolkenteppich

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