Die Braut des Wuestenprinzen
sie konnte ihn nirgendwo erblicken. Trotzdem atmete sie erst wieder auf, als sie die Wohnung betrat und die Tür hinter ihr ins Schloss fiel.
„Hallo! Alles in Ordnung?“
Elenor drehte sich um. Hinter ihr stand Lana und sah sie fragend an.
„Ja, klar. Warum?“
„Ich weiß nicht … du siehst aus wie ein Kaninchen, das es in letzter Sekunde geschafft hat, in seinen Bau zu schlüpfen. Wer ist der Fuchs?“
Eigentlich sollte sie es Lana sagen. Aber sie bekam es nicht über die Lippen.
„Oh“, nickte ihre Mitbewohnerin nach einer kurzen Pause. Elenors Schweigen hatte ihr verraten, um wen es sich handelte. „Ich koche gerade Spaghetti. Möchtest du auch welche?“ Also habe ich nicht einmal gelogen, als ich Karim gesagt habe, dass zu Hause das Abendessen auf mich wartet, dachte Elenor. Als ob das etwas änderte.
Dankbar, dass Lana nicht weiter bohrte, nickte Elenor. Ihr Kopf schwirrte vor Gefühlen, die sie weder verstehen noch kontrollieren konnte. Über Gefühle zu sprechen, war ihr noch nie leichtgefallen. Jetzt aber war es geradezu unmöglich.
Natürlich träumte sie in dieser Nacht von ihm. Sie rannte durch dunkle Straßen. Ohne selbst zu rennen, lief er immer direkt hinter ihr, nah genug, um sie zu berühren. Aber das tat er nicht. Sie lief, und er war bei ihr. Sie konnte sich nicht erklären, wie er ihr so dicht auf den Fersen bleiben konnte, ohne selbst zu laufen. Schließlich schwante ihr, dass es ein Traum sein musste.
Sie hielt im Laufen inne. Es ist nur ein Traum. Mir kann nichts passieren, sagte sie sich. Entschlossen drehte sie sich um und stand Karim gegenüber. Sie sahen sich an, und Elenors Herz krampfte sich zusammen.
„Siehst du“, sagte Karim im Traum, während er die Hand nach ihr ausstreckte. Auf einmal hielt er sie in den Armen, und ihre Angst war keine Angst mehr. Ihr Herz klopfte zwar wie verrückt, und noch immer überwältigten sie ihre Gefühle dermaßen, dass sie kaum atmen konnte. Aber die Angst war verschwunden. Während er sie lächelnd umfangen hielt, jagten unbekannte Empfindungen durch Elenors Körper. Karim sah ihr tief in die Augen und näherte seinen Mund langsam ihren Lippen.
Eine Flut von Gefühlen und Erwartungen überschwemmte Elenor. Aber das ist kein Traum. Es ist wahr, rief Elenor, und die Angst kam wieder. Nie zuvor hatte Elenor eine so übermächtige Angst erlebt, weder im Traum noch in Wirklichkeit. „Nein“, schrie sie, „Nein.“ Mit aller Kraft stieß sie Karim von sich. Dann erwachte sie, kerzengerade im Bett sitzend, während ihr Herz zum Zerspringen klopfte.
Eine Stunde später lag sie noch immer zitternd im Bett. Sie war sicher, dass Karim wusste, dass sie von ihm geträumt hatte. Schließlich dämmerte es, und die Sonne streckte ihre ersten Strahlen nach Elenor aus.
Lana hatte wohl recht. Ganz gleich, ob es an der Konfrontation in der Bibliothek oder an der im Traum lag: Karim hörte auf, sie zu verfolgen. Sie sah ihn genauso oft von Weitem wie vorher. Aber sie erwischte ihn nicht mehr dabei, wie er sie anstarrte. Regelmäßig warf Elenor ihm jetzt einen heimlichen Blick zu, aber er schien sie vergessen zu haben. Morgens erwachte sie oft mit der Gewissheit, von ihm geträumt zu haben, wusste aber nie mehr, was in dem Traum passiert war.
Das Einzige, woran sie sich stets erinnerte, war ein Gefühl des Verlusts.
„Sixties“ lautete das Motto der Party kurz vor Ende des Semesters. Elenor und Lana fanden, dass sie nach dem vielen Lernen eine kleine Pause gebrauchen konnten, bevor die Prüfungen anstanden.
Es war ein warmer Frühlingstag. Die Freundinnen zogen knöchellange Kleider mit Blumenmuster und Plateauschuhe an. Die in der Mitte gescheitelten Haare ließen sie glatt über die Schultern fallen. So machten sie sich auf den Weg zu der Party.
Alice ließ sich von der Musik mitreißen und tanzte ausgelassen. Sie tanzte, bis die Anspannung und Anstrengungen der letzten Wochen von ihr abfielen.
Die Party fand in zwei Stockwerken der Uni statt: Im Kellergeschoss stand die Bar, und im darüber liegenden Aufenthaltsraum wurde getanzt. Eine Tür in der Bar führte auf einen kleinen Innenhof. Von dort aus gelangte man über eine breite Treppe auf eine Rasenfläche. Der Aufenthaltsraum im Erdgeschoss grenzte an zwei Seiten an eine Terrasse.
Wegen des ungünstigen Termins für Studenten, deren Prüfungen früher stattfanden als die von Elenor und Lana, war die Party nicht besonders gut besucht. Als Elenor nach etwa einer Stunde hinausging, um
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